„The Last of the Haussmans“: Zerrüttete Verhältnisse

Ein Scherbenhaufen. Mehr ist von den Haussmans nicht übrig. Ein Scherbenhaufen und ein Haus, das ebenso verfallen zu sein scheint wie die Familie selbst. Liebenswert, ja, mit Charme, aber auch voller ungelöster Probleme. Jetzt jedoch kommt alles ans Licht – dank der neu gegründeten Theatergruppe moving targets, die Stephen Beresfords Stück „The Last of the Haussmans“ erstmals auf eine deutsche Bühne bringen und mit ihrem Debüt zugleich ein ebenso unterhaltsames wie bewegendes Porträt zeichnen. In der Brotfabrik sorgt die englischsprachige Inszenierung von Esther Takats und Janine Lockwood-Brusa, die beide auch in zentralen Rollen zu sehen sind, dank überaus starker Charakterzeichnungen auf jeden Fall für Begeisterung.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Mutter Judy (brillant: Janine Lockwood-Brusa), ein einst zwischen Ashrams und verschiedenen Liebhabern hin und her tingelnde Alt-Hippie, die nach einer kleineren Krebs-Operation ihre beiden Kinder wieder zu Hause begrüßt. Die haben jedoch ihre eigenen Probleme: Der homosexuelle Nick (Philipp Gierenstein) ist süchtig nach Drogen, Alkohol und unerreichbaren Männern, während die verkniffene Libby (Esther Takats) ihre ständig wechselnden Partner nicht halten kann und zudem zu ihrer aufmüpfigen Tochter Summer (Clara Clasen) ein ähnlich schwieriges Verhältnis hat wie ihre Mutter zu ihr. Dazwischen tummeln sich noch ein fadenscheiniger Arzt (Mike Nyandeika) und ein junger Poolboy (Ben Heering), der ein Auge auf Libby geworfen hat, während er von Nick begehrt wird. Eine Situation, in der nicht nur eine Katastrophe vorprogrammiert ist.

So exzellent auch das gesamte Ensemble spielt, so sehr es der zerrütteten Familie Konturen gibt, so ist es doch Lockwood-Brusa, die das gesamte Stück zusammenhält. Zwar lebt ihre Judy mitunter in einer Traumwelt, sieht nicht die Leiden des von ihr vergötterten Sohnes oder die Verzweiflung von Libby, die als einzige versucht, die Familie nicht völlig in die Armut abrutschen zu lassen (womit sie letztlich wie mit so vielem scheitert) – und doch ist sie gerade deshalb die einzig Glückliche im gesamten Stück. Dies verkörpert Lockwood-Brusa mit einer fantastischen Leichtigkeit und Unbekümmertheit, fröhlich schnatternd, auch mal der Freizügigkeit frönend und selbst hinter der Bühne immer präsent. Ihre durchdringenden Rufe nach ihrer Tochter treffen so manche Zuschauerin offenbar ins Mark. Doch richtig stark wird es, als Judys Gesundheit sich drastisch verschlechtert und Lockwood-Brusa sich dermaßen auf einer Liege quält, dass es einem schier das Herz bricht. So eine intensive Darbietung ist Theater in Perfektion. Es spricht für das gesamte Ensemble, dass es auf diesem Niveau mithalten kann, allen voran Esther Takats, die das gesamte Spektrum an Emotionen abzurufen versteht und als Libby einen starken Gegenpart zu Judy bildet, sie ebenso verfluchend wie liebend. Wirklich eine tolle Inszenierung. Bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft noch weitere derartige Produktionen von moving targets zu sehen sein werden.

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