Arnulf Rating: Unter Blättern

Überschriften über Überschriften. Ein scheinbar endloser Schwall an Headlines aus den vergangenen Jahren, jede einzelne kurz kommentiert und dann ad acta gelegt. Wie am Fließband arbeitet sich Arnulf Rating durch die Zeitungen, die er stapelweise aus seinem Aktenkoffer zieht, kritisiert manches, karikiert einiges, übertreibt vieles. Ein Konzept, das zum Markenzeichen des 65-Jährigen geworden ist – und mitunter leider einige Längen aufweist, die dem starken restlichen Programm nicht immer gerecht werden.

Zugegeben, zumindest im Pantheon hat Rating es nicht leicht. Da will ihn doch tatsächlich ein obskurer Vertreter der Til-Schweiger-Stiftung von der Bühne vertreiben, um die Halle Beuel kurzerhand in ein Flüchtlingslager zu verwandeln. Die Kultur muss weichen, und zwar nicht aus humanitären, sondern in erster Linie aus monetären Gründen. Immerhin will Schweiger medienwirksam einen Heimatfilm 4.0 drehen, mit einer seiner Töchter in der Rolle einer modernen Mutter Theresa. Da könnte der Rating platzen. Zum Glück ist Schwester Hedwig mit ihren Allheilspritzen nicht weit, die hinter den Kulissen erst den Kabarettisten und seinen Widersacher ruhigstellt und dann das Publikum beruhigt. Alles geklärt – der Aufbau der Feldbetten erfolgt erst morgen. So kann Rating also mit spitzer Zunge das Weltgeschehen kommentieren. Zumindest das der letzten Jahre. Horror-Clowns und die US-Präsidentenwahl, Unterfremdung im Osten und sexueller Missbrauch vor statt im Kölner Dom stehen auf der Agenda des wandlungsfähigen Ratings und seiner Alter Egos. Enthüllungsjournalist Karlheinz Stangel klagt über ein fehlendes Interesse an seinen detektivischen Fähigkeiten, die ihm höchstens noch den ein oder anderen Auftrag von der Garten-Redaktion einbringen; Arbeiter Kalkowski spricht dem kleinen Mann aus dem Herzen, der für die Bankenkrise gerade stehen muss, während die Bonzen in Boni baden; und der schmierige Guido Gräuel, dynamischer, flexibler und hochmotivierter Hampelmann der Schweigerschen Vorzeige-Stiftung, schaut in unserem „hochtechnologischen Billiglohnland“ nur auf die Leistung.

Eingerahmt wird all dies von der bereits erwähnten ausufernden Blattkritik. Kein anderer deutscher Kabarettist widmet sich ausführlicher den Medien als Rating; vor allem die berühmte Zeitung mit den vier Buchstaben hat es ihm angetan, deren Macht zur Meinungsbildung trotz rückläufiger Auflage ungebrochen ist. Auch im Pantheon schleudert er er ihre Schlagzeilen in den Raum, kratzt aber angesichts der Masse lediglich an der Oberfläche. Selbst so ist die Aktion, die er später wiederholen wird, zu lang, zu unkonkret – und zu angestaubt. Denn die Illusion der Aktualität zerbricht schnell, wenn Rating sich um Überschriften kümmert, die schon drei Jahre alt sind. Das kann Rating besser. Ohne irgendwelche Papierzeugnisse, und auch ohne irgendwelche Rollen. Am stärksten ist er tatsächlich dann, wenn er als klassischer politischer Kabarettist dem Volk ins Gewissen redet, vor allem wenn er auf die US-Drohnenpiloten in Rammstein verweist und daran erinnert, dass „von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen soll“. Ideale, die einfach über den Haufen geworfen werden, sobald es ums Öl geht. Beschaffungskriminalität nennt Rating das. Warum gibt es nicht stattdessen eine Abwrackprämie für deutsche Waffen? Hat doch schon bei Autos hervorragend funktioniert. Und wenn man schon einmal dabei ist, könnte man auch versuchen, einige der politischen Flaschen loszuwerden, die hinter der ganzen Misere stecken. Ein frommer Wunsch. Immerhin: Das ist Rating in Bestform, ohne Feigen- oder andere Blätter. Davon bitte mehr.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0