„Die Brüder Löwenherz“: Der Tod ist erst der Anfang

Nangijala. Ein Name, der für Krümel alles verändert. Er ist ein Versprechen auf ein Leben nach dem Tod, ein Versprechen auf eine Zeit ohne Schmerzen und Sorgen, in der jede Menge Abenteuer warten und in der nicht mehr bei jedem Schritt die Angst vor einem Schwächeanfall droht. Nangijala. Ein Land jenseits der Sterne, von dem Jonathan Löwe seinem kleinen Bruder immer wieder erzählt, um diesen von seiner schweren Krankheit abzulenken und ihm Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu machen. Und tatsächlich wird der Traum Wirklichkeit – und ist zugleich durch den Tyrannen Tengil und seine Drachendame Katla bedroht. Nun setzt das Junge Theater Bonn dieses ebenso traurige wie wunderschöne Märchen Astrid Lindgrens in Szene und erweckt die Brüder Löwenherz zu neuem Leben.

Leichte Kost ist das Stück nicht. Gerade die Anfangsszenen mit dem leidenden Krümel (phänomenal: Linus Moog), dem unerwarteten Heldentod Jonathans (Josia Vantroyen) und der spürbaren Verzweiflung der Mutter (Katharina Felschen) dürften niemanden kalt lassen, stürzen das Publikum direkt in die Tiefe und sorgten bei der Premiere für so einige betroffene Mienen. Empfohlen ist das Stück für Kinder ab sieben Jahren, und gerade aufgrund der frühen Konfrontation mit dem Sterben sollte dies auch ernst genommen werden. Andererseits bemüht sich das Ensemble um Regisseurin Konstanze Kappenstein deutlich, der Handlung einen spielerischen Anstrich zu geben und sie zudem leicht an die heutige Zeit anzupassen. Im Kinderzimmer hängt unter anderem ein Schal des Bonner SC (der passenderweise eine Initiative namens „Löwenherz“ pflegt), die Kostüme der Bewohner des Kirschtals sind von „Star Wars“ inspiriert, statt Pferden stehen Kickboards zur Verfügung. Gerade diese Ansätze sorgen aber zugleich dafür, dass die Spannung an einigen Stellen kippt und die Handlung mitunter etwas albern wirkt. Wenn etwa Tengils Männer im einen Moment bedrohliche Sith-Krieger mimen und im nächsten mit Jojos hantieren oder auf Kickboards durch die Gegend reiten, geben sie dadurch die düstere Atmosphäre im besetzten Heckenrosental der Lächerlichkeit preis. Eine ähnliche Diskrepanz offenbart sich beim ersten Auftritt des dunklen Herrschers: Das Ensemble nutzt zwar erfreulicherweise den gesamten Saal, lässt überall Soldaten aufmarschieren und eine Rebellin vom Balkon holen, doch was nutzt all das, wenn Tengil (Bernard Niemeyer) selbst ohne jegliche Präsenz, mit ein paar bemühten Soundeffekten künstlich aufgeplustert, als Antagonist keinerlei bleibenden Eindruck hinterlässt?

Problematisch ist zudem, dass das Junge Theater verständlicherweise bemüht ist, die Aufführungsdauer in Grenzen zu halten, dadurch aber vor allem nach der Pause förmlich durch die Szenen hetzt und den Nebenfiguren keinerlei Raum für Entfaltung bietet. Jäger Hubert (ebenfalls Bernard Niemeyer) bleibt ebenso farblos wie der Rebellenanführer Orwar (Axel Hinz), und selbst der verräterische Wirt Jossi (Christian Steinborn) oder die Vaterfigur Matthias (auch Axel Hinz), die für die Handlung eigentlich essentiell sind, bleiben leider farblos. Stattdessen springen immer wieder die Tengilwachen über die abstrakt gehaltene Bühne, kraxeln über die große, drehbare Holzschräge, die als zentrales Element sowohl als Haus als auch als Tunnel, Gebirge oder Höhle fungiert. Geschickt gesetztes Licht generiert die jeweilige Stimmung und setzt selbst die monströse Katla mit minimalem Aufwand eindrucksvoll um. Neben dem grandiosen Spiel der beiden Hauptfiguren und der mitreißenden Story ist dies ein weiterer Grund, warum „Die Brüder Löwenherz“ trotz mancher Schwächen letztlich für Kinder und Jugendliche eine intensive Theatererfahrung sein dürfte.

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