Hovanissian & Gültekin: Versöhnung in schwierigen Zeiten

Duduk und Saz in trauter Harmonie: Das ist ungewöhnlicher, als es zunächst klingen mag. Und vor allem politischer. Immerhin ist es erst ein knappes Jahr her, dass der Deutsche Bundestag mit einer Resolution die Massaker an den Armeniern durch das osmanische Reich von 1915 als Völkermord bezeichnete und damit die türkische Regierung gegen sich aufbrachte. Eine einfache historische Wahrheit sorgte für zunehmende Spannungen – doch während das Erdogan-Regime bis heute Gift und Galle spuckt, hat die Musik längst eine andere Lösung gefunden. Eine bessere. Harmonischere.

Wenn Vardan Hovanissian und Emre Gültekin zusammen spielen, das armenische Nationalinstrument und die Laute der türkischen Barden sich einander auf Augenhöhe begegnen und zauberhafte Melodien wie aus 1001 Nacht in die Welt entlassen, ist der Konflikt nicht vergessen, wohl aber beigelegt. Im Rahmen der „Klangkosmos“-Reihe der Brotfabrik hat das Duo nun sein Programm „Adana“ vorgestellt, benannt nach jener Stadt, in der wenige Jahre vor dem Genozid schon Zehntausende Armenier ermordet wurden – und die doch nach dem Wunsch der Musiker ein Symbol für Versöhnung und Freundschaft sein soll.

Hovanissian und Gültekin ergänzen sich wahrlich meisterhaft: Der melancholisch wirkende Klang der Duduk wird vom filigranen Spiel der Saz getragen und aufgehellt, was vor allem den Tänzen zu Gute kommt, denen sich die beiden Künstler gerne widmen. Immer schneller und lebensbejahender wird die Musik dann, während sich vor dem inneren Auge Derwische um die eigene Achse drehen. Dann wieder stimmt Gültekin ein Lied an, singt alte Weisen und lässt diese durch die Duduk verzieren. Ein bemerkenswerter Auftritt mit Musik, die in einer multikulturellen Gesellschaft eigentlich häufiger präsentiert werden müsste. Umso bedauerlicher ist es, dass derzeit die gesamte „Klangkosmos“-Reihe auf dem Prüfstand steht. „Vor allem in der letzten Zeit hatten wir mit enormen Schwankungen bei den Besucherzahlen zu kämpfen“, erklärt Brotfabrik-Chef Jürgen Becker. „Manchmal ist der Saal voll, dann wieder kommt nur ein Dutzend Interessierte. Das können wir uns so nicht leisten. Daher müssen wir sehr genau prüfen, ob und in welcher Form wir in Zukunft Weltmusik-Konzerte anbieten können.“ Becker hofft nun auf Feedback aus der Öffentlichkeit – und auf einen Andrang bei den noch anstehenden Konzerten.

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