Awa-Ly + Inna Modja: Schamanen-Pop und Sitz-Pogo

Eins muss man dem „Over the Border“-Festival lassen: Wahrscheinlich noch nie zuvor haben in Bonn so viele internationale Künstler in so kurzer Zeit derart überragende Musik mit aufrüttelnden gesellschaftspolitischen Botschaften verknüpft, haben mit tiefer Betroffenheit auf Missstände aufmerksam gemacht und doch die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht aufgegeben. So auch im Pantheon, in dem mit Awa-Ly und Inna Modja zwei stilistisch völlig verschiedene Sängerinnen für einen bemerkenswerten Abend sorgten. Hier eine senegalesische Pop-Schamanin mit phänomenaler Soul-Stimme, die am Schicksal der Flüchtlingsopfer Anteil nimmt, dort eine malische Techno-Queen mit afrikanischen Blues-Anleihen, die die weibliche Genitalverstümmelung am eigenen Leib erfahren hat und diese brutale Verstümmlung auch in einem Song thematisiert. Ein starker Abend, an dem man nur auf eines hätte verzichten sollen: Stühle.

Während der intensive Songwriter-Sound Awa-Lys zu einem Sitzkonzert noch durchaus passte, wäre bei dem hämmernden Disco-Sound Inna Modjas eine Tanzfläche essentiell gewesen. Gleich zwei DJs standen auf der Bühne an Laptops, dumpfe Bässe über allerlei Effektspielereien setzend – dazu ein virtuoser Gitarrist und Armbeugen-Trommler sowie eben die starke Sängerin mit dem Afro, deren Verse in der afrikanischen Sprache Bambara gehalten waren. Immerhin ließ Modja sich des öfteren über die Hintergründe aus, vermittelte ihre Botschaften und bemühte sich offenbar, den Schmerz und das Leid wegzutanzen. Nicht bei jedem kam der Dance-Ansatz an, einige Stühle des eigentlich ausverkauften Pantheons leerten sich langsam. Die Mehrheit aber blieb und feierte eben im Sitzen.

Zuvor hatte Awa-Ly das Publikum bereits restlos in ihren Bann gezogen. Die charmante Weltenwanderin mit der mystizistischen Ader erwies sich als brillante Erzählerin, deren samtig-kraftvolles Organ meisterhaft auf der Klaviatur der Emotionen zu spielen vermochte. Mal gurrend, mal rockend und immer bewegend. Besonders intensiv wurde es, als die 40-Jährige jenen ein Lied widmete, die „hoffentlich in denn Tiefen des Mittelmeeres in Frieden ruhen, gestorben aufgrund eines Mangels an Mitgefühl“, wie sie sagte. Ein eindringlicher Appell, der an keinem einfach so vorbeigeht. Am wenigsten an Awa-Ly selbst, die von den eignen Worten betroffen schien und sich erst einmal ein paar Tränen wegwischen musste, bevor sie „Here“ anstimmen konnte. Schnell hatte sie sich wieder gefangen, wendete sich anderen Songs zu, die weitaus lebensbejahender waren – doch ihre Worte wirkten fort. Was kann sich eine Sängerin mehr wünschen? Nun ja, ein begeistertes Publikum, aber das hatte Awa-Ly ohnehin, nicht zuletzt dank des exzellenten Songwritings und ihrer überragenden Band.


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