Die Höchste Eisenbahn: D-Zug Richtung Empfindsamkeit

Zwei, die sich gefunden haben – und zwei, die sich wieder verlieren. Um diesen Kosmos aus Glück und Enttäuschung drehen sich nahezu alle Texte der Berliner Indiepop-Formation Die Höchste Eisenbahn, die mit ihren charmanten, melancholisch dahingeträumten Liedern derzeit in der ganzen Bundesrepublik die Herzen der Fans erobern. Nicht zuletzt, weil sie so authentisch wirken, so lebensfroh und doch auch so verletzlich. Zwei, die sich gefunden haben, das sind immerhin auch die beiden Singer-Songwriter-Zugführer Francesco Wilking und Moritz Krämer, scheinbare Gegensätze und wahrhaftige Seelenverwandte. Der hemdsärmlige Bio-Wuschelkopf und der Posterboy, die gemeinsam mehr sind als die Summe der einzelnen Teile (um einfach mal die Band Kante zu zitieren). Auch in der Harmonie haben die Eisenbahner nun für Stimmung gesorgt und mit ihrem jungen, zum Teil extrem textsicheren Publikum ausgelassen gefeiert.

Die Höchste Eisenbahn erweist sich dabei als multifunktional: Mal rockt sie völlig ungezwungen ab, dann wieder wendet sie sich dem Schlager zu, fügt dazwischen kleine Synthi- oder Hip-Hop-Passagen ein (ja, irgendwie passt das tatsächlich zusammen) und erzählt doch immer wunderschöne kleine Geschichten voller Gefühl und Poesie. Wilking und Krämer schwelgen in realen und erdachten Erinnerungen, vervollkommnen sich im Duett, werden erst ganz zärtlich und explodieren dann in majestätisch-melodramatischer Pop-Ekstase. Nicht umsonst wird die Band von manchen schon als Erben von Tocotronic und Wir sind Helden gesehen werden – Sängerin Judith Holofernes hat Wilking und Krämer sogar bei den ersten Auftritten im Herbst 2011 unterstützt, und mit Tomte-Schlagzeuger Max Schröder und Bassist Felix Weight gibt es zudem ein starkes Fundament. Doch was die Band vor allem auszeichnet, ist der Spaß, den sie auf der Bühne hat. Vor allem in der Harmonie. „Wir haben hier noch nie zuvor gespielt, aber irgendwie ist es, als würden wir nach Hause kommen“, sagt Krämer zu Beginn, während er in die familiäre, strahlende Menge schaut. Klar – derzeit ist Die Höchste Eisenbahn Vorband von AnnenMayKantereit, die dann noch mal die größeren Hallen füllen. Da verliert man schnell die Verbindung zum Publikum. Sollte das noch einmal passieren, können sich Wilking und Krämer nunmehr sicher sein, dass in Bonn ein Wohnzimmer auf sie wartet.

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