„Bluff“: Die Hälfte fehlt

Am Anfang, so erklärt es eine Video-Einblendung, explodiert ein Planet. Seine Bewohner, androgyne Außerirdische, sind daraufhin zur Erde geflüchtet und versuchen, sich anzupassen. Eine neue Realität, eine neue Wahrnehmung gilt es zu erkunden, eine Illusion von Menschlichkeit aufrecht zu erhalten. Ist das also der „Bluff“, um den sich die gleichnamige Choreographie von Helene Weinzierl dreht? Oder ist es gerade diese Exposition, die in die Irre führt? Im Theater im Ballsaal, wo die Kompanie cieLaroque Weinzierls Werk zum Abschluss des internationalen Tanzfestivals „Into The Fields“ aufführt, wird dies nicht so wirklich klar – vielleicht auch deshalb, weil offensichtlich ein Teil der Performance fehlt.

Folgt man den Berichten über die Uraufführung von „Bluff“ im vergangenen Oktober in Salzburg, gehören Stimmen aus dem Off ebenso zur Darbietung wie ein Spiel mit Namen bekannter Hollywood-Größen. In Bonn hat man darauf verzichtet, lässt das Publikum im Dunkeln und den Tanz für sich selber sprechen. Was leider nur bedingt funktioniert. Denn reichen ein paar Kostümwechsel wirklich, um die Suche nach einer Identität zu verdeutlichen? Sind ein paar eher mäßige, mitunter hektisch geschnittene Videocollagen ausreichend, um die Artifizialität der Welt zu symbolisieren? Und können sich drei Tänzer überhaupt selbst (er-)finden, wenn sie doch permanent von den anderen behindert und eingeschränkt werden? Gut, zumindest diese Frage ist es wert, gestellt zu werden. Aber auch noch eine andere. Eine, die am Ende zur Sprache kommt. Dann nämlich, wenn die Szenerie kippt und die Tänzer zu Beobachtern werden, das Publikum dagegen zum Kuriosum. Dieses ist jedoch verwirrt, bleibt starr, die hallende Stimme von Tänzer Hugo Le Brigand kaum verstehend. „Ich frage mich, warum ich hier sitze“, sagt er unter anderem. Das geht nicht nur ihm so. So gibt es denn letztlich höflichen, aber auch leicht irritierten Applaus.

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