Gerhard Polt & die Wellbrüder: Volksmusik und Grantlertum

Also dieser Kreisverkehr, der geht ja gar nicht. Viel zu eng, vor allem für den Löschzug. Frechheit so was. Und das nur, um die Hausener Feuerwehr auszubremsen, die gerade erst ihr 125-jähriges Bestehen gefeiert hat, mit Festzelt und Rollbraten und jenem exklusiv für diesen Zweck von Georg Friedrich Händel in weiser Voraussicht komponierten Monumentalwerk des Barock, das selbst mit den begrenzten Mitteln der lokalen Kapelle seine besonderen Qualitäten offenbart. Qualitäten, die man mit der gesamten Welt teilen will und muss. Und wenn die Well-Brüder sich einmal was in den Kopf gesetzt haben, kann das auch ein Kreisverkehr nicht mehr verhindern. Zusammen mit Gerhard Polt sind die drei Vollblut-Volksmusik-Multiinstrumentalisten daher nun auf großer Fahrt – und sorgen auch in der Bonner Oper mit ihrer bayerischen Satire für Jubelstürme.

Die Seilschaften und Kungeleien, die Vereinsmeierei und die Scheinheiligkeit in der Politik ihrer Heimat sind Polt und den Well-Brüdern schon lange zuwider – manche Kommentatoren, vor allem bayerische, munkeln sogar, dass das Quartett die wahre Opposition im Freistaat sei. Und auch wenn in Bonn angesichts des mitunter doch sehr ausgeprägten Dialekts gewisse Verständnisprobleme bestehen, kommen die gesellschaftskritischen Wortbeiträge und Spottgesänge durchaus an. Die Wells – Karli, Stofferl und Michael – führen in traditionell gereimten Gstanzl immer wieder die bemühte Überhöhung einzelner Dörfer und Gemeinden (und Bundesländer) ad absurdum oder karikieren sie zumindest gekonnt, wobei auch Bonn sein Fett wegkriegt, haben sich die drei doch immerhin mit dem WCCB-Skandal, Oberbürgermeister Ashok Sridharan, dem Streit zwischen Sport und Kultur sowie der Zukunft des Bundesbüdchens auseinandergesetzt. Und Polt? Macht das, was er immer macht. Er schaut den Leuten aufs Maul und erweckt so Figuren zum Leben, die nur auf den ersten Blick überzeichnet wirken. Da ist etwa der Großvater, der seinem Enkel die Geschichte der Welt erklären und ihn zu einem lupenreinen Demokraten erziehen will: „Wenn wir den Ersten Weltkrieg nicht verloren hätten, hätte es den Zweiten gar nicht gebraucht“, sagt er, nur um zugleich darauf hinzuweisen, dass Meinungsfreiheit nur dann einen Sinn hat, wenn es auch eine Meinung gibt. Eine gefährliche Kombination, die sich in Polts Rollen immer wieder findet. Der ultrakonservative Monsignore aus Indien will Bayern wieder mit harter Hand in den Schoß der Kirche führen und die Gotteshäuser mit allen Mitteln mit Gläubigen füllen, die zuletzt ihre Werte verraten haben; der Paragraphenreiter wettert gegen den Nachbarn, der sich unziemlich schnäuzt und zudem viel mehr Würste grillt, als ihm laut Verordnung zusteht; und immer wieder der alte, abgehängte, in der Vergangenheit lebende Grantler, demzufolge es so was wie Laktose früher nicht gegeben habe, dafür aber wohlerzogene, grüßende Buben und Madel. Ja, all diese Leute gibt es. Nicht nur in Bayern, der Vorstufe zum Paradies. Und selbst da sind die alles andere als lustig.

Dennoch ist der Auftritt von Polt und den Well-Brüdern alles andere als eine Absage an Traditionen. Nur eine an konservatives Gedankengut. Echte Volksmusik gilt es dagegen zu bewahren, sagen sie. Und zwar nicht in der in ihren Augen peinlichen Verformung eines Andreas Gabalier, der letztlich keinem gerecht werde, sondern auf die gute alte Weise. Jener, die die Wells meisterhaft beherrschen. Ob Harfe oder Trompete, Tuba oder Akkordeon, Gitarre oder Flöte, kein Instrument scheint ihnen fremd zu sein. Sogar Alphörner ertönen, für die ohnehin so ziemlich jedes Lied geschrieben wurde, von „Es kommt ein Bi-Ba-Butzemann“ über „Wochenend und Sonnenschein“ bis hin zur „Ode an die Freude“. Ob allerdings selbst mit diesem Instrumentarium das Brauchtum erhalten und die Rückwärtsgewandtheit aufgelöst werden kann, sei dahingestellt. Zumindest versuchen die Well-Brüder es. Und wenn sie ebenso wie Gerhard Polt letztlich an den Verkrustungen scheitern, haben sie sie wenigstens ausgelacht und bei dem einen oder anderen, vor allem aber bei sich selbst, für Linderung gesorgt. Ist auch was wert.

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