Erika Stucky: Ein Jodler für Britney

Eigentlich muss man Erika Stucky nicht nur hören, sondern auch sehen. Sie und ihre Filme. Suboptimal für all jene, die auf einen Radiomitschnitt vertrauen, aber leider nicht zu ändern. Immerhin versucht die Schweizer Jazzsängerin und Performerin, die im Rahmen des Beethovenfests die Harmonie besucht, den Hörern an den Weltempfängern mit ausführlichen Beschreibungen zumindest etwas entgegenzukommen – was das gesamte Konzert nur noch verrückter macht, als es ohnehin schon ist, noch irrwitziger, noch absurder. Und noch besser.

Stucky könnte mitunter als die schweizerische Antwort auf Björk durchgehen, zwar ohne Schwanenkostüm, aber mit mindestens ebenso viel Spaß an Absurditäten und Experimenten. Schon das Auftaktstück „Dreaming of the Sea“ lässt gewisse Parallelen erkennen, zumindest bis die Jodler dazukommen, auf die Stucky immer wieder zurückgreift. „Dafür habt ihr schließlich bezahlt“, erklärt sie dem Publikum, auch wenn kaum jemand glaubt, dass die 54-Jährige sich von derartigen Dingen beeinflussen lässt. Nein, die Frau jodelt einfach gerne. Für sich, für andere, selbst für Britney Spears, deren „Hit Me Baby One More Time“ sie mit zwerchfellerschütterndem Humor parodiert. Klasse, zumal Stucky mit ihrer unglaublich wandlungsfähigen Jazzstimme das Lied ebenso gut singen kann wie ihre völlig absurde Version von „Helter Skelter“, nur mit ihr und dem Tubisten Marc Unternährer, der wirklich alles stoisch mitmacht. „Es gibt so viele Stücke, die problemlos ohne Schlagzeug funktionieren, warum also 'Helter Skelter'?“, fragt Stucky und gibt so gleich selbst die Antwort: „Weil es uns selber überrascht und verunsichert, dass es geht.“

Tatsächlich geht bei Erika Stucky so ziemlich alles. Schon zu Beginn greift sie, um ihren schamanistischen Beschwörungsgesang zu konterkarieren, zu einer Schneeschaufel und findet an deren Kratzen auf dem Boden Gefallen, später kommen dann Hotelschlüssel und Trillerpfeife als weitere Effektgeräte hinzu. Man muss halt nehmen, was gerade da ist. Zusammen mit ihren völlig schrägen Minifilmen über Hundemasken, Hula-Hula-Artistik und Zuckerkaffee generiert sich die Schweizerin so zu einem lebenden Gesamtkunstwerk, das vielleicht nur bedingt radiogen ist. Aber auf jeden Fall schreiend komisch und musikalisch einmalig. Einziger Wermutstropfen: Mit gut 90 Minuten inklusive Zugabe fällt das Konzert doch etwas kürzer aus als nötig. Ein bisschen mehr Wahnsinn wäre hätte das begeisterte Publikum zweifelsfrei verkraftet.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0