„Shoot / Get Treasure / Repeat“: Im Namen guter Menschen

Freiheit? Von wegen. Krieg bringt keine Freiheit. Nur Angst. Leid. Terror. Und wieder Angst, die schnell in Paranoia und Hass umschlägt. Die Welt greift an, und die Menschheit antwortet mit Gewalt und Abschottung. Der britische Regisseur Mark Ravenhill hat sich diesem Themenkomplex in 17 Minidramen angenähert, die schließlich unter dem Titel „Shoot / Get Treasure / Repeat“ zusammengefasst wurden. Nun hat der Abschlussjahrgang 2016 der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft diese Sinfonie der Schrecken unter der Regie von Michael Funke in der Brotfabrik auf die Bühne gebracht. Eine intensive Theatererfahrung, bei der dem Publikum mehr als einmal der berüchtigte Kloß im kollektiven Halse stecken bleibt.

Moral geht in dieser Fragmentsammlung als erstes verloren. Und Begrifflichkeiten wie Gut und Böse. Worthülsen ohne jede Bedeutung. „Warum bombardiert ihr uns? Wir sind doch die Guten“, rufen fünf Frauen gleich zu Beginn: Bio-Fairtrade-Mamas mit SUVs und einem allgemein „guten Leben“, wandelnde Klischees des kapitalistisch geprägten westlichen Lebenswandels, die schlichtweg überfordert sind mit der Bedrohung, für die sie keine Erklärung haben. Oder diese einfach nicht wahrhaben wollen. Das Stück zeigt sie derweil: Immer wieder tauchen auf schlichten, der durch Roll-Regale vielseitigen Bühne Soldaten auf, traumatisiert von ihrem brutalem Einsatz in einem fremden Land, die aus ihrer Verlorenheit heraus zu Psychopathen mutieren, die Liebe erzwingen und mit der Waffe in der Hand zu eben jenen Despoten werden, die sie im Namen der Freiheit beseitigt haben. In einer besonders eindringlichen Szene verhört ein junger Offizier (Alexander Pritzkau) eine trauernde Mutter (herausragend: Nina Karimy), die auf dem Weg ins Krankenhaus zu ihrer Schwiegermutter war – ihr Flehen um ein bisschen Menschlichkeit und Mitgefühl verhallt ungehört, während der Mann sich ihr aufdrängt und auch vor Folter nicht zurückschreckt, um ein bisschen Liebe zu erfahren. Gewalt, so scheint es, gilt in Extremsituationen immer als eine Lösung, der lediglich die Empathie zum Fraß vorgeworfen werden muss. Kein Wunder, dass die Antwort darauf noch mehr Gewalt ist. Aus Hass geboren – und aus Furcht. „Ich will die harte Hand“, schreit eine andere Frau, weil ein Kollege bei einem Anschlag gestorben ist und Hinweise auf die Täter fehlen. Ja zur Überwachung, und wer sich nicht freiwillig meldet, wird gebrandmarkt. Einen Sieg für Demokratie und Menschlichkeit nennen sie es und kämpfen zugleich weiter um das Recht auf einen Scheiterhaufen. Wenn die eigene Haut in Gefahr ist, ist jedes Mittel recht. Keine gute, aber leider eine nachvollziehbare Erklärung – die die Wirkung des immer stärker werdenden Spiels der Alanus-Absolventen nur noch weiter steigert.

Sophia Carla Brocker, Olivia Gajetzki, Nina Karimy, Marcel Jaschar Markazi Noubar, Alexander Prizkau, Janina Raspe, Alina Rohde, Simeon Wutte und Aljoscha Zöller haben mit „Shoot / Get Treasure / Repeat“ eine starke Leistung abgeliefert. Gerade in der Darstellung von Erniedrigung und Psychoterror erzeugt das beklemmende Spiel der jungen Akteure eine nachhaltige Wirkung. Schade, dass die Inszenierung nicht öfters gespielt wird. Sie hätte es verdient.

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