Politischer Aschermittwoch: Inhalt und Name im Widerspruch

14 Prozent der 15-jährigen Schüler haben 2012 extrem schwache Leistungen beim Lesen gezeigt – das besagt eine Randnotiz einer neuen Auswertung der Pisa-Studie durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Nach dem so genannten „politischen Aschermittwoch“ im Pantheon stellt sich die Frage, ob Kabarettisten nicht mitunter vergleichbare Probleme haben. Oder ob sie einfach nur gewisse Worte konsequent ausblenden. Denn von einer Abrechnung mit der Politik, die sich schon im Namen der Veranstaltung findet, war so gut wie nichts zu sehen. Mal wieder.

„Klare Töne zum politischen Geschehen sind obligatorisch“, heißt es sogar im Pressetext. Doch wie schon in den vergangenen Jahren haben diverse Künstler den Abend als eine weitere beliebige Mixed Show missverstanden und irgendwelche Auszüge aus ihren Solo-Programmen abgespult, die in diesem Rahmen schlichtweg fehl am Platze waren. Ärgerlich. So unterhaltsam und kreativ einige Beiträge auch wirkten, so begeistert sich das Publikum auch zeigte: Letztlich war nicht drin, was draufstand. Thema verfehlt. Setzen, sechs.

Dabei konnte man den Gastgebern noch nicht mal einen Vorwurf machen. Fritz Litzmann und Hermann Schwaderlappen alias Rainer Pause und Norbert Alich hatten immerhin sechs Wochen Pink Punk Pantheon in den Knochen, litten zudem am Sessions-Blues und ersten Karnevals-Entzugserscheinungen. Verständlich, dass die beiden Ober-Pantheoniken nicht zu sehr ins Detail gehen wollten und sich damit begnügten, ihre Solidarität mit den Flüchtlingen zu betonen und auf die moralische Verantwortung Deutschlands in der Krise hinzuweisen. Den Rest hätten die anderen übernehmen sollen. Hätten. Doch selbst Sebastian Pufpaff, der als Dauergast in so ziemlich jeder politischen Kabarettsendung eigentlich genau wissen müsste, was erwartet wird, scheute vor den entsprechenden Themen. Ja, sein Echauffieren über Laubbläser und blonde Kinder, die auf Baustellenschildern herumflennen, war ebenso gut gemacht wie seine Abrechnung mit den immer jünger werdenden Models bei „Germany's next Topmodel“ – ins Konzept des Abends passten beide Nummern dennoch nicht. Noch schlimmer trieb es Barbara Ruscher, die offenbar völlig vergessen hatte, dass sie einst am Klavier wunderbare Polit-Miniaturen zaubern konnte und sich nun lieber der Anbetung von Thermomix und Tofu zugewendet hat. Veganismus als neue Religion. Wie originell.

Es war zum Verzweifeln. Irgendwo musste doch irgendjemand sein, der sowohl den Witz als auch das Wissen und den Willen hat, um den politischen Aschermittwoch auch inhaltlich zu einem solchen werden zu lassen. Aber nicht im Pantheon. Gut, Christoph Brüske versuchte sein Glück, ging auf die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht ein, sprach sich für die Zuwanderung aus und setzte sich auch mit Pegida auseinander. Doch leider fehlte die Form: Der 50-jährige Niederkasseler mit dem Duracell-Turbo setzte zu sehr auf Plattitüden und schien die Themen nur zu nutzen, um irgendwie zum nächsten Lied zu kommen. Wirklicher Tiefgang sieht anders aus. Und der eigentlich fantastische René Sydow, der genau diesen hatte und mit derart feinem Wortwitz hantierte, dass er (zu) oft unbemerkt blieb? Zeigte sich gesellschaftskritisch und „gut im Stuss“, aber eben nicht politisch. So sagte letztlich keiner etwas zu Donald Trump und Horst Seehofer, zur Nato-Aufrüstung in Osteuropa und der Erpressung der Türkei in der Flüchtlingskrise, zum Asylpakt II oder dem UNO-Bericht zu Julian Assange, um nur mal ein paar Themen der letzten Wochen zu nennen. Ein konzeptionelles Debakel. Das Publikum amüsierte sich dennoch köstlich und störte sich offenbar nicht an dieser kabarettistischen Mogelpackung. Die Künstler könnten sich also bestätigt fühlen. Oder sich in den Hintern beißen. Im nächsten Jahr wird sich zeigen, wer welchen Weg gewählt hat.

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