Ensemble Mongolism: Mystische Klänge aus dem Reich der Mitte

Wuchtig wirkte sie, gewaltig, treibend. Die Uraufführung von „Amila“, der symphonischen Auftragsarbeit der Deutschen Welle bei der chinesischen Komponistin Lu Jiajia alias Zulan im Rahmen des Beethovenfests, hat in der Beethovenhalle epische Bilder voller fernöstlicher Exotik evoziert, dabei Klänge schaffend, die ihre Nähe zur Filmmusik nicht verhehlen konnten. Kein Wunder, immerhin hat die 35-Jährige aus der Inneren Mongolei, einer autonomen Provinz im Nordosten Chinas, in diesem Bereich bereits einige Erfahrung gesammelt. Vielleicht funktionierte aber auch gerade dadurch der Brückenschlag zwischen westlicher und mongolischer Musik so hervorragend.

Zusammen mit ihrem eigenen Ensemble Mongolism, das den gutturalen Kehlkopfgesang ihrer Heimat (Khoomi) ebenso mit einbringt wie die Pferdekopfgeige (Movin Khuur), sowie dem Bundesjugendorchester hat die 35-jährige Zulan auf jeden Fall ein bemerkenswertes Werk präsentiert, das die Fantasie des Publikums zweifelsfrei angeregt haben dürfte. Das Auf- und Abschwellen der Musik, das oft düstere, an ein Didgeridoo erinnernde Grummeln des Khoomi und die exquisite Percussion schufen eine eindringliche Atmosphäre, die das sechsköpfige Ensemble im Anschluss mit der Trilogie „Mongolia spirit“ weiter schürte. Großartig, vor allem als Zulan selbst, die sonst eher am Klavier für Effekte sorgte, ebenfalls in den Gesang einstieg und damit eine neue Klangfarbe einbrachte, die dem Stück zu neuer Intensität verhalf.

Blieb die erste Hälfte dieses Campus-Konzerts den Gästen aus dem Reich der Mitte vorbehalten, sorgte das Bundesjugendorchester unter der Leitung von Patrick Lange nach der Pause gewissermaßen für das Kontrastprogramm. Natürlich musste ein Werk Beethovens im Programm sein – in diesem Fall das Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll, bei dem der Pianist Herbert Schuch den Solopart übernahm. Expressiv jagte er über die Tasten, die großen Gesten liebend, mitunter – insbesondere im Allegro – sogar exaltiert wirkend. Das herausragende Orchester setzte dem ein nicht minder energiegeladenes Spiel gegenüber und gestaltete den Dialog zwischen Soloinstrument und Klangkörper somit auf Augenhöhe. Schuch wiederum konnte in seiner Zugabe, einer Konzertetüde von Franz Liszt, in vollem Glanze erstrahlen und seine Technik unter Beweis stellen.

Den Abschluss des Abends bildete schließlich Sergei Prokofiews Symphonie Nr. 1 D-Dur, die Benedikt von Bernstorff als „liebevolle Fälschung“ bezeichnet und die der Komponist selbst als im Geiste Haydns geschaffen charakterisierte. Einem lebhaften, gar kecken Allegro folgte ein charmantes Larghetto, während das Finale quirlig und flott geriet. Das Orchester mit seinen 14- bis 19-jährigen Mitgliedern konnte dabei einmal mehr unter Beweis stellen, dass es in der Tat zu den bedeutendsten und besten Nachwuchsorchestern der Welt gehört. Dementsprechend frenetisch wurde es denn auch vom Publikum gefeiert, das gleich mehrere Zugaben einforderte und erst gegen 22.45 Uhr glücklich und voller neuer Eindrücke die Beethovenhalle verließ. Der Dialog der Kulturen, der in solchen Konzerten immer wieder erfolgreich zelebriert wird, zählte ohne Zweifel zu den stärksten Momenten des Beethovenfests. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0