Rasta Thomas' „Romeo & Juliet“: Lächerlicher Liebesreigen

Es hätte richtig schön werden können. Ein durchtrainiertes Ensemble nimmt sich mutig eines der berühmtesten Werke der Weltliteratur vor und modernisiert zugleich ein nicht minder bekanntes Ballett, auf diese Weise ähnlich wie die Flying Steps („Red Bulls Flying Bach“) Klassik und Streetdance elegant miteinander verknüpfend. Ach, man wird ja noch träumen dürfen. Denn die Realität kommt diesem Ideal leider noch nicht einmal ansatzweise nahe: Das großmundig als Rockballett angekündigte Tanzspektakel „Romeo & Juliet“ des obersten „Bad Boy of Dance“ Rasta Thomas, dessen neue Deutschland-Tournee jetzt in der Oper Bonn ihren Anfang nahm, schwillt zwar vor hohen Sprüngen und Salti über und fordert den Mitwirkenden in körperlicher Hinsicht einiges ab, gibt jedoch zugleich die Dramatik von Choreographie und Handlung, für die sich Rasta Thomas' Ehefrau Adrienne Canterna verantwortlich zeigt, innerhalb kürzester Zeit der Lächerlichkeit preis. Schwülstig, kitschig und völlig überzeichnet misslingt es der in 24 Einzelbilder zerstückelten Inszenierung demonstrativ, einen Spannungsbogen aufzubauen, und führt so die dem Shakespearschen Stück innewohnende Tragik schlichtweg ad absurdum.

Dabei hat das Ballett zu Anfang durchaus die Chance, eine andere Richtung einzuschlagen: Der große Maskenball im Haus der Capulets, Höhepunkt des ersten Aktes, kann erstaunlicherweise das Frühlings-Allegro aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ geschickt mit David Guettas „Without You“ verbinden und schafft es zugleich, die über Kreuz liegenden Tanz- und Musik-Passagen (zur klassischen Musik bewegt sich das Ensemble modern, zum anstelle von Rock aufgelegten  Disco-Pop dagegen traditionell auf Spitze) miteinander zu harmonisieren. Dumm nur, dass dieses an sich faszinierende Wechselspiel im weiteren Verlauf der Beliebigkeit anheim fällt. Die wahllose Party-Playlist von Alphaville über Katy Perry bis hin zu The Police und den Righteous Brothers würde vielleicht zu einem Highschool-Musical passen, nicht aber zu den dazwischen gemischten Vivaldi-, Prokofjew- und Barber-Kompositionen. Andererseits fungiert etwa Lady Gagas „The Edge Of Glory“, das während der grellen und überhaupt nicht heimlichen Hochzeitsparty des jungen Liebespaares ertönt, als verlässlicher Crowdpleaser, bei dem das Publikum frenetisch mitklatscht, ohne sich sonderlich um das löchrige Gesamtkonzept zu scheren. Dazu kann man nur schweigen, ebenso wie übrigens auch zu den Videoprojektionen: Für die rotierenden roten Lippenstifte, die hinter der schmachtenden Julia auf einer großen Leinwand zu sehen sind, sind selbst die schlimmsten Flüche noch zu gut.

Lässt sich die musikalisch und tänzerisch fragwürdige Aufführung zu Beginn noch als Abbild von jugendlichem Enthusiasmus und einer Art Selbstfindungsprozess erklären, scheitert sie vollends, sobald die Handlung sich Mord, Rache und Verzweiflung zuwendet. Schon der gefühlt zweistündige Heldentod Mercutios kratzt an der Grenze des Erträglichen; vier Techno-Mönche, der Heiratsantrag des selbstverliebten Paris (ausgerechnet zu „Every Breath You Take“) und der inszenierte Selbstmord Julias als verständliche Reaktion auf die Offerte (vielleicht auch, um der unsäglich schmalzigen „Unchained Melody“ zu entgehen) durchbrechen sie endgültig. Dem Publikum ist dies jedoch egal: Es feiert die Tänzer (zu Recht) und die Inszenierung (warum auch immer) mit begeistertem Applaus und stehenden Ovationen. 

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