Götz Alsmann: Mehr Ozelot, weniger Salamander

Das Thema ändert sich, die Musik aber nicht: Seit 26 Jahren zelebriert Götz Alsmann die Musik der 20er bis 50er Jahre, setzt sie schelmisch grinsend in leicht swingenden Versionen um und buddelt dabei immer wieder Meisterwerke und Schreckgespenste der deutschen Schlagerübersetzungskultur aus seinem schier unerschöpflichen Fundus aus. Vor drei Jahren hat er sich mit französischen Chansons auseinandergesetzt, jetzt ist das American Songbook die Quelle seiner Inspiration. In der Beethovenhalle hat Alsmann nun auf Einladung der Springmaus sein neues Programm „Am Broadway“ vorgestellt – und während der Titel nicht hundertprozentig den Erwartungen gerecht wird (gut ein Drittel der Songs haben mit Musicals wenig oder gar nichts zu tun), gilt das für die luftigen, lockeren, leider aber oft vorhersagbaren Arrangements um so mehr.

Natürlich hat Alsmann, der nach eigenen Angaben „mit einer Mischung aus Ozelot und Salamander“ spielt, so manchen Klassiker im Gepäck. Vor allem Balladen scheinen es ihm angetan zu haben: „Till there was you“ etwa aus dem Erfolgsmusical „The Music Man“, das 1957 fünf Tony Awards gewann und damit die „Westside Story“ in den Schatten stellte, das von Tommy Dorsey und Frank Sinatra berühmt gemachte „Everything happens to me“ oder das von Alsmann und seinem Schlagzeuger Rudi Marhold aus welchen Gründen auch immer mit einem galoppierenden Rhythmus unterlegte „My funny Valentine“ aus „Babes in Arms“, das bei Alsmann zur „Traumvision“ mutiert. Immerhin durchbricht dies ein wenig die Monotonie, die sich in der ersten Konzerthälfte ausbreitet, nachdem ein langsames Tanztee-Arrangement auf das nächste folgt, elegant gespielt, aber ohne die sonst übliche Brillanz. Seltsam: Eigentlich versteht sich Alsmann weitaus besser auf die Dynamik eines solchen Abends, legt mehr Wert auf Abwechslung, koppelt die schmalzigen Lieder mit Up-Tempo-Nummern und dem ein oder anderen fetzigen Bossa Nova. Doch diese flotten Stücke machen erst nach der Pause ihre Aufwartung. Bis dahin bleiben die absurd-skurrilen Erzählungen Alsmanns zunächst die einzige echte Auflockerung, darunter die Erinnerung an eine Modenschau des Otto-Versands, bei der alternierend zu einem „charmanten Modeplauderer“ Pianist Big Bobby Bingo feinen Jazz zum Besten gab – zwei potentielle Vorbilder also für den jungen, damals neunjährigen Götz.

Immerhin kann die Band kurz darauf endlich einmal Tempo aufnehmen, darf Bassist Michael Ottomar Müller mal ein bisschen kräftiger in die Saiten hauen und der begnadete Altfried Maria Sicking auf dem Vibraphon so richtig anfangen zu zaubern. Alsmann scheint das zu viel zu sein: Bei „From this moment on“ fällt ihm in der Hektik das Mikro aus der Hand. Alles geplant, natürlich, eine explosive Special-Effects-Einlage, auf die selbst George Lucas nicht gekommen wäre. Die Raubkatze ist jetzt auf jeden Fall wach – und schlägt zu. Bei „Der alte Zauber“ („That old black magic“, übrigens auch kein Broadway-Titel) gibt Percussionist Markus Paßlick auf der Voodoo-Trommel Gas, später kommt mit „Whatever Lola wants“ noch so eine wunderbar kecke Nummer. Klasse – würde nicht ausgerechnet dazwischen Paßlick seinen Comedy-Musical-Träumen nachhängen und seine endlos lange Vision einer mäßig lustigen Revue für abgehalfterte Showstars vorstellen. Gähn. Eidechsen-Humor in entsprechender Geschwindigkeit. Das muss doch nicht sein. Weg mit dem Salamander, her mit dem Ozelot. Und ein bisschen Swing mit Schwung. Wenn Götz Alsmann und seine Band einmal richtig eingegroovt sind, gibt es kein Halten mehr. Schade nur, dass es in der Beethovenhalle ein wenig zu lange gedauert hat.

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