Katie Freudenschuss: Wurstsängerin sucht Hollywood-Moment

Wie gut, dass Katie Freudenschuss keine Schwedin ist. Als zarte Elfe mit großen Kulleraugen und noch größerer Tasse vor dem zarten Gesicht wäre sie vielleicht niedlich, aber letztlich ist niedlich langweilig. Dann doch lieber hintersinnig böse. Zynisch. Oder zumindest herrlich ironisch. All das trifft auf die charmante Singer-Songwriter-Sachensagerin zu, die jetzt im Pantheon Casino in Begleitung ihres wiehernden Pferdehockers ihr erstes Solo-Programm präsentierte und dabei selbst Frauen-Standardthemen (Stichwort: Schuhe kaufen) im Spannungsfeld von Rammstein-Asoziationen und Fetischkult zu einem Erlebnis der besonderen Art machte, nur um kurz darauf doch wieder ihre sentimentale Ader zu entdecken. Scharfe Zunge und verträumter Blick – Katie Freudenschuss besitzt beides. Und sorgt so für einen wunderbaren Abend.

Fröhlich plaudert die Wahlhamburgerin aus ihrem Leben, erzählt von ihrem Durchbruch als Wurstsängerin (der Bratmaxe-Song ist von ihr), ihrer Schwäche für Bassisten und dem Leiden als Single-Frau jenseits der 35. Dabei zeigt sie sich vielseitig, geht mal bei der Umsetzung von Vorschlägen aus einer Frauenzeitschrift recht brachial zu Werke und zeigt dann wieder Satiren, die auch eine Diplom-Animateuse wie Christine Prayon nicht hätte besser machen können. Wenn im Deutschlandradio Kultur der Fußball-WM-Jubel „Super Deutschland“ in die Neue Musik integriert wird, ist das ebenso genial-verschroben wie eine lyrische Lesung der gesammelten Werke Mario Barths – wenn dann noch Tom Waits seinen „Tom Traubert's Blues“ in einen rauchig-verkratzten Lobgesang auf das Leder verwandelt, zeigt sich Frau Freudenschuss in Bestform. Das ist Musikkabarett vom Feinsten. Und dabei wird die 38-Jährige gerade erst warm, stellt kurzerhand die neue Castingshow „Deutschland sucht den Super-Obdachlosen“ vor und schafft es dabei, Ekel vor den Vorführ-Formaten zu schüren, ohne zugleich in die Peinlichkeit abzugleiten. Gleiches gilt für den Auftritt ihrer Proll-Schwester Starlight, die zu Gorilla-Aktionen in Hotels aufruft und sich über den erstaunlich unruhefreien Gazastreifen am Himmel wundert.

Und doch sind es letztlich die Lieder, die vollends begeistern. Der aus dem Stehgreif zusammengedichtete Liebesbeweis für Norbert aus dem Publikum und die neue Bonn-Hymne, vielmehr jedoch die herrlich zarten, poetischen, teils hintersinnig bissigen Kompositionen, die Freudenschuss fest in ihr Programm integriert hat. „Es gibt einen Ort in dir“ etwa, diese beeindruckende Ballade – oder jener Song über den Hollywood-Moment in der U-Bahn, der vielleicht nie kommt und auf den die 38-Jährige sehnsüchtig wartet. Immerhin, im Rampenlicht steht sie schon. Und das ist auch gut so.

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