„Die Präsidentinnen“: Die Verzückungen des heiligen Stuhls

Die Welt ist eine Kloake. Ein riesiger Abort, verstopft mit zahllosen vergeblichen Sehnsüchten, zerbrochenen Hoffnungen, unerwiderten Begehrlichkeiten, aber auch mit Eitelkeit und Missgunst. All das bricht aus dem Inneren der Menschen hervor, wird ausgekackt, ohne einen weiteren Blick in die Muschel gepresst und hinuntergespült. Bis dann die Jauche übersprudelt. Und Mariedl mit blanker Hand in der dunklen, ekligen Brühe nach der Ursache sucht. Sie, eine der drei Hauptfiguren in Werner Schwabs Groteske „Die Präsidentinnen“, wühlt mit messianischem Eifer so lange in dem ihr heiligen Stuhl, bis sie auch den am tiefsten sitzenden Dreck wieder an die Oberfläche ziehen kann. Selbst wenn sie dafür letztlich den Preis zahlen muss.

Das Theater Die Pathologie hat Schwabs Fäkaliendrama (Regie: Walter Gontermann) schon allein aufgrund der Enge des Bühnenraums nicht mit einem unnötigen Überbau versehen, sondern es als pointenreiches, böses bissiges Kammerspiel inszeniert, das trotz der Kloakendialoge zu keinem Zeitpunkt in die Peinlichkeit abschweift. An einem notdürftigen, schmuddeligen Tisch sitzend entdecken die Putzkräfte Erna, Grete und Mariedl dort ihre Gossen-Poesie, räsonieren über Leberkäse, Beziehungs-, Verstopfungs- und Verdauungsprobleme, giften sich gerne mal an und haben doch niemanden sonst auf dieser Welt, dem sie sich anvertrauen können. In dieser zerbrochenen Szenerie glänzen drei Schauspielerinnen: Ursula Michelis gibt die sparsame, verklemmte, gottesfürchtige Erna, die zunächst ihren Alkoholikersohn Hermann und später den fürs Fleischliche zuständigen Metzger Karl Wotilla verherrlicht (die Ähnlichkeit mit dem Geburtsnamen von Papst Johannes Paul II. kommt nicht von ungefähr), mit einer fantastischen Vielschichtigkeit; Marion Minetti überzeugt als Wannabe-Femme-Fatale Grete, die immer wieder an das „Golden Girl“ Blanche erinnert und an einigen Stellen so richtig rollig wird; und Maren Pfeiffer lässt ihrer Mariedl das Unschuldig-Kindhafte einer geistig Behinderten angedeihen, die sich als Befreierin der Menschheit (oder zumindest ihrer Aborte) generiert, als Heilige der Klomuscheln, die genüsslich ihren Arm in den Ausscheidungen versenkt, „weil wenn der Herrgott die ganze Welt angeschafft hat, dann hat er auch die menschliche Jauche erschaffen.“

Mit ihrer göttlich verklärten Koprophilie wühlt sich Mariedl, die zunächst mehr Randfigur als Gleichberechtigte zu sein scheint, durch die Exkremente ihrer Mitmenschen, freut sich über jeden Glücksfund (selbst wenn es eine Dose Gulasch ist) und wird dafür von Erna und Grete, die sich zunehmend in eine Volksfest-Fantasie flüchten, mit Verachtung und des Ekels bestraft. Bis das arme Ding, das ihre Blicke eben auch an jene Stellen richtet, die andere lieber vergessen würden, diese Träume brutal zerstört und sich zur Märtyrerin menschlicher Hinterlassenschaften aufschwingt. Brillant – und, auch wenn man diesen Begriff eigentlich nicht in diesem Zusammenhang benutzen sollte, dank des enormen Symbolgehalts des Stücks wirklich köstlich. 

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