„Möwe und Mozart“: Entmurrt und entgriest durch den Herbst des Lebens

Es ist ein klassisches Bühnenpaar: Der misanthropische alte Griesgram und das lebenslustige Plappermaul, zwei Gegenpole, die sich gerade deswegen anziehen. In Peter Limburgs Komödie „Möwe und Mozart“, die jetzt ihre Premiere im Bonner Contra-Kreis-Theater feierte, entwickelt sich auf diese Weise eine Liebesbeziehung in der Großeltern-Generation: Die spritzige Sofia (Hilde Keller) trifft nicht so ganz zufällig auf den mürrischen Ex-Komponisten Herbert (Walter Gontermann), um diesen auf Bitten seines Neffen Carl (Daniel Buder) wieder ins Leben zu integrieren. Beharrlich kontert sie die Abwehrbemühungen des Grantlers, entmurrt und entgriest ihn, zeigt ihm, dass Liebe mehr ist als nur ein Wort und die Welt mehr zu bieten hat als eine Parkbank. Doch so manches düstere Geheimnis von „Möwe“ Sofia und „Mozart“ Herbert sorgt im Laufe der Handlung immer wieder für Überraschungen.

Dem Contra-Kreis-Theater ist mit dieser Inszenierung unter der Regie von Horst Johanning ein echter Glücksgriff gelungen. Mit wunderbarer Leichtigkeit jagt eine Pointe die andere, sorgen spritzige, intelligente Dialoge für beste Unterhaltung. Peinlich wird es dabei nie – manchmal vielleicht etwas zotig, aber immer lustig. Kein aufgepfropfter Klamauk, keine Albernheiten, was auch dem exzellenten Spiel der beiden Hauptdarsteller zu verdanken ist, die sich nach einer kurzen Einspielphase mit präzisem Timing die verbalen Bälle zuwerfen, dass es eine Freude ist. Heide Keller, die einen Tag vor der Premiere Geburtstag feiern konnte und sich mit „Möwe und Mozart“ gewissermaßen selbst beschenkt, hat sichtlich Spaß an ihren feinen Sticheleien, mit denen sie ihren Gegenüber wahlweise zur Weißglut oder zum Erröten bringt, während Walter Gontermann mit seiner charismatischen Stimme in seinem 50. Bühnenjahr die ganze Bandbreite der Emotionen auslotet, sowohl himmelhochjauchzend als auch zu Tode betrübt ist und in jeder Sekunde den richtigen Ton trifft.

Das langsame Annähern von Möwe und Mozart, das oft forsche, aber immer gut dosierte Knacken der Schale des vereinsamenden Herberts trägt maßgeblich die Spannung des größten Teils des Stücks. Nur gegen Ende fällt diese etwas in sich zusammen: Zu abrupt das Augenblicksglück, in dem zwar noch ein paar Details unter der Oberfläche vergraben liegen, das aber dann doch kitschiger als nötig daher kommt. Auch die Auflösung wirkt zumindest auf Seiten Sofias zu konstruiert, führt gar einen Teil der vorherigen Handlung ad absurdum. Denn eine Beziehung auf Lügen aufzubauen kann auf Dauer nicht funktionieren. So hätte die Komödie auch schon nach anderthalb Stunden ein gutes, vielleicht sogar stärkeres Ende finden können – das Kopfkino erledigt den Rest. Doch zwingend für das Boulevard-Theater muss jede noch so tief verbuddelte Wahrheit ausgegraben und beinahe zwanghaft auf dem Silbertablett präsentiert werden. Bis zu einem gewissen Grad verständlich, aber dennoch schade. „Möwe und Mozart“ wird dadurch zwar nicht weniger unterhaltsam. Es gewinnt jedoch auch nicht. Ein winziger Wermutstropfen in einem ansonsten wunderbaren Glas schauspielerischen Cognacs, das sich doch recht lange genießen lässt. 

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