Kurt Krömer: Abschied vom guten Geschmack

Links, da ist der Ekeltrakt. Der eingekaufte Pöbel, die nur dazu da ist, die Beethovenhalle zu füllen und an den richtigen Stellen über Kurt Krömers Sprüche zu johlen. Links, dahin kann man spucken, wenn einem schlecht oder langweilig wird. Sagt zumindest der Moderator des Abends und demonstriert gleich einmal, das selbst dieses Zeichen der Erniedrigung bejubelt wird, von der geifernden Menge im Rest des Saals ebenso wie von den Bespuckten. Auf Wiedersehen, Würde und Geschmack. Willkommen bei Kurt Krömers „Abschieds“-Show.

In Wirklichkeit gibt es keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Blöcken – für Krömer sind an diesem Abend alle auf der linken Seite. Also würgt er seine spontan wirkenden, immer gleichen Phrasen hervor, echauffiert sich über die Freundlichkeit der Post, bringt ein paar Zoten gegen NPD, Bild-Zeitung und Till Schweiger an und schmeißt dieses Gewölle grinsend ins Publikum, das ihn dafür auch noch als neuen Messias feiert. 2011 hat Krömer als vermeintliche Wunderwaffe der Öffentlich-Rechtlichen im Kampf um junge Zuschauer den Grimme-Preis erhalten, wurde als Hoffnungsträger gefeiert. Weil er scheinbar mit den Regeln bricht, seine Talkshow-Gäste anpöbelt, beleidigt, vorführt und sie entweder als jene entlarvt, die gute Miene zum bösen Spiel machen (wie etwa Mary Roos) oder sich trotz ihres freiwilligen Kommens auf den Schlips getreten fühlen (wie Matthias Matussek). Als TV-Anarchist wird er daher bezeichnet, als einer, der öffentlich auf alles scheißt und das Produkt dann auch noch erfolgreich als Kunst verkaufen kann.

Dabei ist Krömer so angepasst wie kaum ein zweiter. Er hat sich die Regeln zu eigen gemacht, mit denen jene Privatsender täglich Millionen anlocken, die er selbst reflexartig verlacht. „Die strengsten Eltern der Welt“ verteufelt Krömer ebenso wie die anderen Vorführ-Shows von RTL und Sat 1 – und bedient sich doch in seiner Show der selben Mechanismen, prostituiert sich und den guten Geschmack für ein kleines bisschen Aufmerksamkeit. Und kriegt sie. Mehr noch: Seine Fans lieben ihn dafür, dass er sie in diese troglodytische Banalität mit einbezieht, auch wenn sie es bevorzugen, nicht selbst zum Objekt der Häme zu werden, lieber verlachendes Subjekt zu bleiben. Doch manche haben Pech: Krömer hat Freude daran, die Grenzen von Privat- und Intimsphären zu übertreten, zerzaust einer Frau ekstatisch das Haar oder holt einen jungen Mann auf die Bühne, outet ihn und sich als schwules Paar und rammelt dann an dessen Bein wie ein brünftiger Terrier. Auch die Auskunft bekommt wieder ihr Fett weg: Einen Telefonstreich muss der dafür hinlänglich bekannte Krömer natürlich machen. Unnötig lang diesmal, weil die Frau am anderen Ende der Leitung nicht auf die vorgefertigten, plumpen Kommentare reagiert – und Krömer mit nur einem freudschen Versprecher entlarvt. „Sie wollen sich nur auf Kosten anderer lächerlich machen“, sagt sie. Und trifft damit ins Schwarze.

Zu Gute halten muss man Krömer allerdings, dass er sich selbst ebenso auf die Schippe nimmt. Stolz stellt er seinen Bauch zur Schau und scheut auch nicht davor zurück, sich von einer Frau aus der ersten Reihe ein rohes Ei auf dem Kopf zermatschen zu lassen. Ziemlich eklig, zumal Krömer die Situation nur für noch niveaulosere Zoten nutzt („Ich hab Schale am Ei“). Dem Publikum ist das egal. Es jubelt. Weil dieser kleinbürgerliche Clown, der sich da stellvertretend für seine Fans zum Affen macht, dieser moderne Mister Hyde der Peinlichkeit, all das verkörpert, was bei anderen Menschen weggeschlossen ist und nur im Suff zum Vorschein kommt. Und so erinnert Kurt Krömers Show an eine Bierleiche: Nüchtern betrachtet ein bedauernswertes Bild. Aber eben auch die Konsequenz aus dem, was inzwischen im Fernsehen als Unterhaltung angesehen wird.

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