Bilkent Youth Symphony Orchestra: Widerstand und Götterfunken

Zum dritten Mal in Folge ist die Türkei beim Orchestercampus der Deutschen Welle im Rahmen des Beethovenfests zu Gast gewesen. Und zum dritten Mal begeisterten junge Musiker aus dem Land „zwischen zwei Kontinenten und Religionen“, wie DW-Intendant Peter Limbourg in einem Grußwort sagte, das Publikum in der Beethovenhalle mit einem souveränen Auftritt. Dabei hatte sich das Bilkent Youth Symphony Orchestra (BYSO), das in diesem Jahr die Türkei in Bonn vertritt, gleich eine doppelt schwere Aufgabe gestellt: Die Uraufführung eines Auftragswerks über die Geschehnisse am Gezi-Platz und zudem ausgerechnet Beethovens Neunte. Gewagt. Aber letztlich gelungen.

Das BYSO setzte sich unter der Leitung von Işin Metin durchaus überzeugend mit dem Opus Magnum Beethovens auseinander, fand den richtigen Ton im Pathos ebenso wie im eleganten Adagio des dritten Satzes, trompetete sich dann wieder in strahlende Höhen und wuchtige Tiefen. Zwar blieb die Dynamik zwischen den Extremstellen, zwischen den fortissimo- und pianissimo-Passagen, etwas schwammig und undifferenziert, doch ist das schon Kritik auf hohem Niveau. Auch die gelegentlichen Schwächen bei den Bläsern waren angesichts des bombastischen und überzeugenden Gesamtklangs verzeihbar. Vor allem die Streicher zeigten sich von ihrer besten Seite, bauten etwa im vierten Satz das Götterfunken-Motiv wunderbar auf, bis dann nach der ersten Tutti-Stelle der Beethoven-Projekt-Chor der Kreuzkirche Bonn sowie die vier Solisten Ciğdem Soyarslan (Sopran), Asude Karayavuz (Mezzosopran), Andreas Schager (Tenor) und Selcuk Cara (Bass) einsetzten und die „Ode an die Freude“ intonierten. Zusammen führten Sänger und Instrumentalisten sie das Werk zu seinem unbestreitbaren Höhepunkt.

Genau den hatte Tolga Yayalar seinem „Tableaux Vivants d'une Résistance“ verweigert. Der türkische Komponist und Musikprofessor an der Bilkent Universität in Ankara wollte in dieser Auftragskomposition für die Deutsche Welle die von Menschenmassen und Polizei geschaffene Klangwelt während der Proteste rund um den Gezi-Platz vor einem Jahr erneut zum Leben erwecken. Es ist eine bedrohliche, düstere Atmosphäre, eine dissonante Geräuschkulisse, die die Basis für das Stück bildet. Darüber quäkende Klarinetten, surrende Streicher, massive Gongschläge und Sirenengeheul. Wut und Ohnmacht in Noten gegossen – von friedlichen Protesten ist allerdings nichts zu hören. Ebenso wenig wie von Harmonie. Entsteht diese wie gegen Ende des Stücks, wird sie sofort wieder unterdrückt, fällt in sich zusammen, bleibt nicht etwa ein Moment der Hoffnung, wie es der im Publikum sitzende Yayalar eigentlich angestrebt hat, sondern eher ein Anklang von Hilflosigkeit. Irgendwie schade, zumal die Komposition kurz darauf unvermittelt endet und in der Luft hängen bleibt. Da wäre vielleicht noch mehr drin gewesen. Dem BYSO kann man dabei allerdings keinen Vorwurf machen, setzte es doch die ansonsten eher ungewohnten Kompositionstechniken präzise um und nutzte alle Möglichkeiten ihres Instrumentariums, wofür es auch zu Recht, ebenso wie für die Neunte, kräftigen und lang anhaltenden Applaus erhielt. 

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