Rolf & Joachim Kühn + Laia Genc: Freiheit zwischen Volkstänzen

„Wir werden noch etwas harmloser zwischendurch – aber nicht viel“, gesteht Rolf Kühn lachend und blickt auf seinen Bruder Joachim. Wie recht er doch hat. Die zweite Hälfte des Doppelkonzerts, das im Rahmen des Bonner Jazzfests im Kammermusiksaal des Beethovenhauses stattfindet, ist geprägt von bissigen Dissonanzen, wildem Spiel, aufgelösten rhythmischen und harmonischen Strukturen, kurzum von Free Jazz in Reinform. Keine leichte Kost, die die beiden Altmeister da mit einer Virilität präsentieren, die ihre Lebensjahre Lügen zu strafen scheint.

Vor allem Joachim, der im März seinen 70. Geburtstag feierte, explodiert immer wieder, rast über die Tasten, bearbeitet sie in brachialem Berserkertum, dabei derart mit dem Kopf wippend, dass so mancher Metal-Fan ob des exzessiven Headbangings den Hut ziehen würde. Dann wieder nimmt der Pianist, der sich auch im Jazzrock und der Weltmusik zu Hause fühlt, Tempo und Druck zurück, lässt seine klassische Prägung erkennen und spielt virtuose Linien, während sein 15 Jahre älterer Bruder Rolf nun seinerseits zu einem elegischen Ausflug in die Tonwelt startet, dabei auf der einen Seite verspielt wirkt und auf der anderen jene Reife aufweist, die ihn zu einem der wichtigsten Jazz-Klarinettisten der Welt gemacht hat. Es ist ein Dialog zwischen zweien, die sich so gut kennen, dass Worte und somit auch eine Grammatik irrelevant geworden sind, die spielend miteinander kommunizieren, während das Publikum nur staunend daneben sitzt und versucht, zumindest Ansätze zu verstehen.

Deutlich klarer war da der Auftritt der Kölner Pianistin Laia Genc in der ersten Hälfte des Abends. Zusammen mit Hayden Chisholm (Saxophon) und Joscha Oetz (Bass) hat sie sich von Béla Bartók inspirieren lassen, von seinen kammermusikalischen Kompositionen ebenso wie von seiner Sammlung slawischer Volksmusik. Herrlich, wie die drei in einer Suite rumänischer Tänze Lebendigkeit und Lebensfreude zeigen, der leicht swingende Bass, das warm-hauchige Saxophon und der elegante Flügel Konzeption und Komponist gerecht werden, ohne sich dabei anzubiedern, zu kopieren oder die Freiheit des Jazz einzubüßen. Immer wieder nutzen sie Freiräume, lösen sich etwas von Bartók, aber nie zu viel – für die sonst eher modern geprägte, sich von Impulsen und Momenten leiten lassende Laia Genc ein stringenteres Vorgehen als sonst, aber eines, das hervorragend zu ihr passt. Vor allem die temporeicheren Stücke können begeistern, jene, in denen der Tanz-Charakter am deutlichsten zum Vorschein kommt. Aber auch das türkische Traditional „ben giderim batum'a“, das Genc mit einem „Intro ganz im Bartókschen Sinne“ versehen hat, kommt gut an. Ein starker Auftritt, der sowohl einen Kontrast als auch eine Einheit mit dem Spiel der Kühn-Brüder bildet. Faszinierende Hörerfahrungen waren auf jeden Fall beide Konzerte. Und das ist schließlich die Hauptsache.

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