BAP: Immer schön höösch

Einfach mal den Stecker ziehen, das hat sich BAP schon länger vorgenommen. Nicht mit dieser bedeutungsvoll mitschwingenden Finalität, wohlgemerkt, sondern im wörtlichen Sinne. Weg mit E, her mit Akustik. Ein Plan, den die Formation um Wolfgang Niedecken jetzt verwirklicht hat. Am vergangenen Dienstag war BAP daher mit einem Unplugged-Konzert in der Beethovenhalle zu Gast, mit vielen bekannten Hits im neuen Gewand sowie einigen lange verschütteten Perlen, die in „usjestöpselter“ Version neuen Glanz erhalten.

„So ein blöder Schlaganfall ist doch für was gut“, sagt Niedecken zu Beginn des Konzerts. Nachdem er 2011 selbigen erlitten hatte, bedankte er sich mit einem Solo-Album für seinen Schutzengel, seine Frau Tina – „und als ich das der Band vorspielte, sagte die, 'jetzt lass uns endlich mal diese Unplugged-Tour machen.'“ Was allerdings nicht heißt, das jetzt ein Streichquartett auf der Bühne sitzt und angestrengtes Klampfenspiel mit harmonischer Einheitsglasur überzieht. Dafür ist sich BAP zu schade. Stattdessen wird tief in die Trickkiste gegriffen und der große Fundus an exotischen Instrumenten, den sowohl Niedecken als auch die permanente Gast-Musikerin Anne de Wolff im Laufe der Jahre angehäuft haben, mit Wonne geplündert. Indisches Harmonium und türkische Saz, Mandoline und Autoharp, Pedal-Steel- und Resonatorgitarren kommen zum Einsatz, herrliche Klangfarben erzeugend, die de Wolff und ihr Ehemann Ulrich Rode, der als Ersatz für Helmut Krumminga mit von der Partie ist, mit viel Feingefühl beisteuern. So erhält „Kristalnaach“ einen orientalischen Touch, „Nöher zo mir“ erinnert dagegen eher an einen sumpfigen Blues. Schön, auch wenn an manchen Stellen der Druck fehlt, dieser treibende, vorwärts drängende Rhythmus, der diese Stücke sonst prägt. Vielmehr fließt alles, ist ganz entspannt oder, wie Niedecken einmal sagt, „schön höösch“.

Dabei fühlen sich sowohl Band als auch Publikum sichtlich wohl. Werner Kopal lässt genüsslich den Kontrabass swingen, auch Drummer Jürgen Zöller scheint die imaginären Ketten, die Niedecken über ihn geworfen hat, nicht wirklich zu spüren. Richtig austoben kann sich Tastenmann Michael Nass, der immer wieder mit wunderschönen Hammond-Orgel-Soli begeistert – und auch Perkussionist Sönke Reich, der kurzfristig für den anderweitig verpflichteten Rhani Krija eingesprungen ist, macht seine Sache außergewöhnlich gut. Über allem thront natürlich Wolfgang Niedecken, der große Erzähler – noch nie war er so sehr Liedermacher wie jetzt, wo er davon träumt, mit seiner Frau „Zosamme alt“ zu werden, dann wieder einen Ausflug nach Costa Rica macht (mit schönem Latin-Rhythmus: „Shoeshine“), marokkanische Prinzen besingt („Oleander“) oder auch mal ernstere Töne anschlägt wie bei dem fantastischen „Noh Gulu“. Dazu kommen echte Raritäten: Niedeckens Lieblingslied „Lisa“ ist erstmals seit 1986 wieder im Programm, gleiches gilt für das noch gut zehn Jahre ältere „Neppes, Ihrefeld un Kreuzberg“, das mit einem neuen Text versehen so frisch wirkt, als ob es eine Neukomposition wäre. Das Publikum ist verzaubert – und reagiert letztlich wie erwartet. Kaum ertönen nach einem grandiosen Bass-Intro die ersten Töne von „Verdamp lang her“, geht ein Raunen durch den Saal, nach zwei Strophen stehen alle, lauthals mitsingend und mitklatschend. Wie immer bei BAP. Dafür braucht es keinen Stecker. 

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