WDR-Kabarettfest: Sitarklänge, Technikkritik und Altersradikalität

Besser geht’s kaum: Dank herausragender Gäste ist das 87. WDR-Kabarettfest seinem Namen mehr als gerecht geworden, hat ein Feuerwerk bissiger Pointen abgebrannt und ein Applausometer, so es denn vor Ort gewesen wäre, wahrscheinlich zum Explodieren gebracht. Zwei Vorleser (von denen einer kaum zu seinen Texten kam), ein gnadenloser Polit-Kabarettist sowie ein minimalistisches Musik-Duo mit großer Wirkung haben das Publikum im Pantheon in Verzückung versetzt. Moderiert von Dauergrinser Tobias Mann, dessen politische Betrachtungen von Mal zu Mal an Kontur und Qualität gewinnen, attackierten die Akteure genüsslich die Lachmuskeln – und das erfreulicherweise, ohne auch nur einmal in die Peinlichkeit abzugleiten.

An vorderster Front focht Torsten Sträter mit den Lebensweisheiten von „Cotton-Eye Joe“ gegen Über-Technisierung, Schweizer Süßwarenpreise und die Zappeleien des Sohnemanns. Entgegen des sonst üblichen Lesegewitters sprach der Poetry-Slammer aber diesmal frei heraus, von der Begeisterung des Publikums zu neuen Höchstleistungen angestachelt. Kein Festklammern an eloquent ausformulierten Sätzen, stattdessen ein herrlich satirisches Deklamieren, das in den besten Momenten an die Wurstbrot- und Wohnzimmer-Tiraden Jochen Malmsheimers heranreichte. Herrlich. Da wurden Kurznachrichten per Überweisung verschickt und Errungenschaften der Technik kritisch beäugt, wird der „Herr der Ringe“ als Diashow gezeigt, die Fantasie durch Spielzeugloks bemüht und ein Schokoholiker-Schub befriedigt, nur um dann beinahe perplex ins Rund zu schauen und die jubelnde Meute zur Ordnung zu rufen. „Jetzt haben Sie noch vier Minuten für eine Geschichte, die zwölf dauert“, sagte Sträter irgendwann. Egal. Das war es wert. Tuff Tuff.

Tatsächlich lesend präsentierte sich dagegen Severin Groebner: Der Österreicher setzte auf absurde Texte über Therapeutenbesuche und von Roman Polanski inspirierte Filmskripte auf neun Pfoten – als einstudierte Szenerie hätte derartiges längst nicht so gut funktioniert. Ein mäßig gesungenes Lied mit bitterbösem, brillantem Text („Ich mach nur Urlaub in einer Diktatur“) setzte einen gelungenen Schlusspunkt. Dennoch wirkte Groebner etwas steif, was allerdings gut am direkten Kontrast zu Torsten Sträter liegen mag. Und an dem auf ihn folgenden Matthias Deutschmann. Der alte Haudegen, ausnahmsweise ohne Cello, analysierte lakonisch die vom Ausland aufgepropfte Rolle Deutschlands in der Welt („Wir sind zur Dominanz verdammt“), die Aufgabe der Kabarettisten, die eben nicht Spießbürger entlarven sondern vielmehr zu provozieren hätten, und die Drohungen Russlands, das Gab abzudrehen, denen er einfach durch einen Stopp am Verbraucherende zuvorkommen will. „Mal sehen, wie lange die Leitungen den Druck aushalten“, sagte er sardonisch grinsend. Und das von einem Mann, der auf die einsetzende Altersradikalität hofft. Na dann gute Nacht.

Für die musikalische Untermalung des Abends sorgte schließlich das Duo „Die Feisten“ („Ganz schön feist“ minus eins). Comedy-Liedgut vom Feinsten: Ohne großes Tamtam, nur mit dezentem Gitarren-, Sitar- oder Cajón-Spiel und unaufgeregtem, aber eindringlichem Gesang erzählten die beiden von Kriechern und Schleimern, indischen Namen in deutschen Familien und Aufreißer-Problemen. Höhepunkt war die Reinkarnation von James Brown im Körper von Mathias Zeh samt herrlich skurriler, leider Radio-untauglicher Tanzperformance. 

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