„Massachusetts“: Brückenrhythmen im Falsett-Gesang

Die Beethovenhalle als Großraum-Disco: Diese Metamorphose dauerhaft aufrecht zu erhalten, das gelingt auch nur den Bee Gees. Beziehungsweise ihren italienischen Äquivalenten, die das Publikum beinahe ebenso erfolgreich von den Sitzen zu fegen verstanden wie es einst die Originale taten. In der fälschlicherweise als Musical bezeichneten Multimedia-Show „Massachusetts“ haben Pasquale, Walter und Davide Egiziano die legendären Gibb-Brüder würdig vertreten und einen biographischen Abriss der erfolgreichsten Familienband aller Zeiten präsentiert, von den frühen Hits wie „Spicks and Specks“ über die Disco-Ära mit „Saturday Night Fever“ und „Staying Alive“ (samt Unterstützung durch das Tanzhaus Bonn) bis hin zu „You win again“ (die fünf letzten Studioalben bleiben außen vor). Ein Feuerwerk der engen Harmonien, musikalisch brillant – allerdings auch mit einigen Längen, nicht zuletzt dank eines übertrieben agierenden Moderators.

Eigentlich war es Zufall, dass die Egizianos zu den „Italian Bee Gees“ wurden. „Vor etwa 15 Jahren haben wir bei einem Casting in Italien zusammen gesungen, und einer der Assistenten sagte, wenn drei Brüder so hoch und so eng singen können, würde er mal einen Hit der Bee Gees hören wollen“, erzählt Pasquale in einem exklusiven Interview vor der Show. „Wir haben natürlich zuerst abgelehnt, weil wir nicht geglaubt haben, dass wir das vernünftig hinkriegen. Aber dann haben wir es doch probiert – und waren auf einmal im Fernsehen. Irgendwann hat Robin Gibb eine Aufzeichnung gesehen und uns lachend als die Italien Bee Gees bezeichnet. Das war der Ritterschlag.“ Der jetzt zu ausverkauften Sälen mit „Massachusetts“ führt, wo die drei an der Seite von Blue Weaver, der während der „Saturday Night Fever“-Zeit bei den Bee Gees an den Keyboards stand, einen Welterfolg nach dem anderen darbieten können. „Mit Blue Weaver auf der Bühne zu stehen, ist für uns ein wahr gewordener Traum“, bekennt Davide. „Und es gibt sogar Anfragen von den anderen beiden Band-Mitgliedern aus jener Zeit, also von Dennis Bryon und Alan Kendall, mit uns mal zu spielen.“

Die Faszination ist aber auch verständlich, vermögen es die Egizianos doch meisterhaft, den berühmten Bee-Gees-Sound zu imitieren. Vor allem in der ersten Hälfte des dreieinhalbstündigen Konzerts gehen sie dabei streng chronologisch vor, während sich Regisseur Jesse Garon als BBC-Radio-Moderator Brian Goodwood zur Schau stellt, mit seinem gekünstelten Stil und bemühtem Humor die an sich faszinierenden Hintergrundinformationen, Video-Einspielungen und Fotos aber nur bedingt zu einem Mehrwert werden lässt. Stattdessen zieht gerade er die Show unnötig in die Länge, sorgt für störende Brüche und versucht sich gar mit einer „Words“ singenden Elvis-Presley-Imitation mehr in den Vordergrund zu spielen, als eigentlich angemessen wäre. Was nicht heißen muss, dass neben den Italian Bee Gees kein Platz mehr auf der Bühne ist: Sowohl Letizia Mongellis Solo-Darbietung von „If I can't have you“ als auch die fantastische „Immortality“-Version mit Laura Ugolini als Stellvertreterin Celine Dions sind exzellent und passen hervorragend in den Rahmen der Show. Dieser verändert sich allerdings im Laufe des Abends ein wenig, entfernt sich von der reinen Chronologie, sorgt damit aber auch für teilweise fragwürdige Momente. So bleibt offen, ob die als „Acoustic Medley“ angekündigte Synthesizer-unterstützte Aneinanderreihung von Songs wie „Lollipop“ und „Morning of my life“ (von den Bee Gees geschrieben, aber durch Esther und Abi Ofarim berühmt gemacht) wirklich notwendig war. Oder warum dem Tod von Robin Gibb videotechnisch ein Denkmal gesetzt, das Ableben von Maurice aber nur am Rande erwähnt wurde. Dennoch: Insgesamt ist „Massachusetts“ vor allem für Fans der Bee Gees Pflicht. Der Abend in der Beethovenhalle endet auf jeden Fall mit tobendem Applaus des sich seit sicherlich einer Stunde begeistert dauer-stehenden Publikums.

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