„Dornröschen on Ice“: Farbenfrohes Märchen auf Kufen

Elegant gleiten die Tänzer über die riesige Eisplatte, die das St. Petersburger Staatsballett on Ice auf der Bühne der Beethovenhalle platziert hat. Kufen statt Spitzenschuhen: Das hatte sich Pjotr Iljitsch Tschaikowski sicher nicht vorgestellt, als er vor 125 Jahren das beliebte Märchen „Dornröschen“ in ein Ballett umwandelte. Funktioniert aber hervorragend. Vor prächtig gemalter Kulisse ziehen die Russen ihre Kreise, kombinieren klassischen Tanz mit Eiskunstlauf, dabei Kostüme tragend, die ohne weiteres aus „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ stammen könnten: Vor allem die Hofschranzen in ihren bunten Wämsern und prächtigen Kleidern, die zu Beginn des Stücks ausgiebig die Geburt von Prinzessin Aurora feiern, machen den Pomp des Königshofes deutlich.

Das Ensemble von Choreograph Konstantin Rassadin, einem ehemaligen Solisten des berühmten Mariinky-Balletts, setzt die bekannte Geschichte um Dornröschen den Vorgaben Tschaikowskis entsprechend um – also mit beeindruckenden Tänzen, aber äußerst dünner Handlung, die von Charles Perraults Märchen nur noch das Skelett übrig gelassen hat. Dramaturgischer Höhepunkt ist somit nicht etwa die Entdeckung des verwunschenen Schlosses samt der schlafenden Schönheit durch Prinz Desiré (Roman Zarutskiy), sondern vielmehr der Fluch der bösen Fee Carabosse (Marina Lekhmus), die sich trotz ihres Gehstocks als erstaunlich wendig erweist und in Begleitung von drei Fledermäusen einen spektakulären Auftritt hat. Doch auch das Rosen-Adagio, bei dem die heranwachsende Aurora (Elena Zimina) mit vier Prinzen tanzt, sowie die Auftritte von Rotkäppchen und dem Wolf (Jana Udaltsova und Georgii Baranov) sowie dem gestiefelten Kater und seiner weißen Mietze (Sergei Golodnev und Margarita Tertychnaya) in dem inhaltlich vollkommen leeren dritten Akt sind sehenswert.

Bei aller Hochachtung für die tänzerische Leistung der russischen Truppe: Wirkliche Magie kommt nicht auf, kein Kribbeln, keine Gänsehaut, keine über den technischen Aspekt hinausgehende Faszination. Vielleicht liegt dies an der Musik vom Band, die nur äußerst flau aus den Lautsprechern schallt, den Raum nicht ausfüllt und vor allem in den an sich prächtigen Blechbläser-Passagen nicht zu überzeugen, geschweige denn zu fesseln vermag. Da kann Prinz Desiré noch so oft die wach geküsste Prinzessin in die Luft stemmen, können die bunten Feen (allen voran Ekaterina Kostromina als die Carabosse entgegenwirkende lila Fee) noch so charmant in ihren kurzen Kleidchen über die Bühne schweben. Ohne eine gut ausgesteuerte Orchesterbegleitung ist auch das beeindruckendste Ballett nur noch halb so viel wert. Selbst wenn es auf Eis getanzt wird.

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