Scandinavian Music Festival: Fünf Köpfe der Jazzgeschichte

Es ist ein Wollny-Abend. Jedes Mal, wenn der junge Tastenzauberer im KunstPalast zu einem seiner brillanten Soli ansetzt, steigt die Spannung im Publikum an, die Improvisationen genießend, um sich dann in tosendem Applaus zu ergießen, der dem Pianisten fast schon peinlich zu sein scheint. Derweil steht Nils Landgren lächelnd daneben, lässt Wollny den nötigen Freiraum. Warum auch nicht? Macht schließlich Spaß, dem 35-Jährigen zuzuhören, wie er mit virtuosen Läufen und teils verrückten Harmoniegebilden auf eine Gesangspassage oder ein schmelzendes Horn-Solo Landgrens reagiert.

Kein Zweifel: Der berühmte Schwede mit der roten Posaune, einer der besten Jazzer seines Fachs und begeisterter Förderer von frischen Talenten, hat in der Zusammenstellung der Formation für den Bonner Auftritt wieder einmal ein glückliches Händchen bewiesen. Neben Wollny steht sein Trio-Kollege Tim Lefebvre am Bass, während mit Wolfgang Haffner der derzeit beste deutsche Jazz-Drummer am Schlagzeug sitzt. Ein musikalisches Dream Team. So klingt es denn auch: Ob die durch George Benson bekannt gewordene Ballade „This Masquerade“, der Nat-King-Cole-Hit „Nature Boy“ oder ein funkiges Sonnenlicht von Herbie Hancock, bei dem Wollny so strahlt, dass selbst Landgren zu tanzen anfängt, das Quartett begeistert mit jeder Note. Lefebvre und Haffner lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen, bauen ein fantastisches Fundament mit einigen meisterhaften Verzierungen, auf dem sich dann Wollny und Landgren austoben können. Die zwei haben sich wahrhaftig gefunden. Wobei ausgerechnet der Chef der Funk Unit derjenige ist, der sich um die ruhigeren Töne kümmert, um die langen getragenen Posaunenklänge und die gemächlichen Tenorpartien. Weniger ist oft mehr. Vor allem bei Stings „Fragile“, das Landgren nur mit einer ausgefallenen Begleitung Wollnys vorträgt, zeigt sich die Genialität eines reduzierten Arrangements. Und extrovertierter geht es ja dann ohnehin bei „Sunlight“ oder ähnlichen Stücken zu, in denen das Funk-Blut wieder durch die Adern rauscht.

Gerade den Funk braucht das Konzert aber auch, bildet es doch einen schönen Kontrast zum ersten Teil des Abends. Da spielte der Finne Iiro Rantala unter anderem seine Vorstellung der Jazzgeschichte nach, begann bei Johann Sebastian Bach, der irgendwann zu Jerome Kern wurde, ging dann zum Ragtime, später dann zu einer imaginären Kreuzung von Cool Jazz und Bebop. Hervorragend, ausdrucksstark und virtuos – aber, sieht man einmal von der flotten Gershwin-Nummer „Liza“ ab, eben weitgehend ruhig, romantisch, verträumt. Die Begeisterung für klassische Kompositionen war unüberhörbar, omnipräsent, ließ mal an Debussy denken, mal an Satie, manchmal auch an Grieg. Die gut 650 Zuhörer waren fasziniert, spendeten ausgiebigen Applaus – doch zugleich sind manche im zweiten Teil froh, dass Landgren und seine Band etwas mehr Gas geben. So wie beim finalen „Sunlight“, bei dem das Quartett noch einmal alles gibt, das Stück ins Epische hinaufschraubt und dafür Standing Ovations und einen Jubel kassiert, der sicherlich noch in Beuel zu hören ist. Und das völlig zu recht. 

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