„Siddhartha“: Immerwährendes Recycling des Lebens

Recycling: Zurück in den Kreis. Diese wörtliche Bedeutung könnte bei der Inszenierung von Hermann Hesses Erzählung „Siddhartha“, die das Euro Theater Central seit dem vergangenen Mittwoch auf dem Spielplan hat, eine essentielle Rolle spielen. Schon das Bühnenbild spricht eine deutliche Sprache: Die Wände voller angestrahlter Plastikflaschen, an der Decke Schirme aus dem selben Material, eine große weiße Plane symbolisiert den Fluss. Dazu Tüten und Zeitungen, die als Requisiten dienen, als Bärte und Bananen etwa. Um danach recycelt zu werden. Zurück in den materiellen Kreislauf.

In dessen geistigem Äquivalent befinden sich der Brahmanensohn Siddhartha (Andreas Kunz) und sein Freund Govinda (Heike Bänsch, die auch die Rollen all der anderen Nebenfiguren übernimmt und zudem für die Regie verantwortlich ist), die nach Erleuchtung streben, nach einem Moment der Vollkommenheit, in dem das Rad der Wiedergeburten anhält. Schnell merken die beiden, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, dass eine Trennung schmerzhaft, aber unausweichlich ist. Und so folgt Siddhartha schließlich seiner Neugier, versucht sich als Kaufmann, Liebhaber, Vater und Fährmann, immer wieder von neuem zu lernen anfangend, immer in Kreisen und doch sich stetig selbst erfahrend und schließlich sich selbst erkennend. Eine Reise, auf der das Publikum folgen und sich zugleich seine eigenen Gedanken machen soll.

Um den Einstieg zu erleichtern und zugleich die Distanz zwischen Bühne und Publikum zu wahren, brechen Kunz und Bänsch zu Beginn der Aufführung die Illusion immer wieder auf, zeigen Schauspieler, die sich die Figuren erarbeiten – und schließlich in ihnen versinken. Der Brechtsche Verfremdungseffekt entfällt zusehends, die anfangs sehr pathetische Sprache Hesses wird ebenso wie die faszinierende Begleitmusik von Rena Meyer Wiel zur Normalität, die Suche Siddharthas zum sinnhaften Zentrum des 100-Minuten-Stücks. Nur gelegentlich fällt es aus dem nun vorherrschenden ernsthaften Duktus heraus, wenn die beiden souverän spielenden Darsteller Kunz und Bänsch etwas zu überdreht agieren und zum Beispiel das Niederstarren eines alten Bettelmönches durch Siddhartha in eine erheiternde und zugleich befremdliche Clownerie verwandeln. Auch der Schlangenbiss, den die Kurtisane Kamala erleidet, wirkt überzeichnet – die sich direkt anschließende Trauerszene ist dagegen einer der stärksten Momente des Abends.

Und immer ist das Bild des Kreises allgegenwärtig. Überall Wiederholungen: Der Verlust von Kamala spiegelt die Trennung von Govinda, die frühen Tage als Bettelmönch die Kaufmannszeit. Doch wahre Erkenntnis lernt Siddhartha erst am Fluss, der immer in Bewegung ist und dennoch gleich bleibt. Dessen Wasser selbst an einem Kreislauf teilnimmt, der das Leben symbolisiert. Auch das eine Art von Recycling. Was bleibt, sind die Erfahrungen, im Stück ebenso wie außerhalb. Mehr kann Theater nicht verlangen. 

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