Georg Schramm: Ein letztes Aufbäumen des Hohepriesters des Zorns

Die Macht ist noch stark in Meister Schramm. Doch im Star-Wars-Universum würde er nicht lange ein Jedi bleiben: Zu viel Zorn erfüllt ihn, auf die Politik, auf die Bänker, auf den Afghanistan-Krieg, auf Fundamentalisten aller Couleur. Und Zorn führt bekanntlich auf die dunkle Seite. Schramm ist kein Yoda, er ist ein Anakin Skywalker, erfüllt mit Leidenschaft und seinem Testosteron-Äquivalent. Im Pantheon nutzt er nun die Gelegenheit, sich etwas Luft zu verschaffen.

Genauer gesagt sich sowie seinen alter egos Lothar Dombrowski, Oberstleutnant Sanftleben und August, der in seiner hessischen Schrebergartenmentalität auf die Seite-1-Köpfe der Bildzeitung ballert, da dies die einzige Form von Widerstand ist, die sich der SPDler noch traut. Aber ob das der richtige Weg ist? „Der Mann, dem du zürnest, muss deines Zornes wert sein“, sagte einst der Dramatiker Friedrich Maximilian von Klinger. Das trifft auf die meiste Politprominenz wohl eher nicht zu.

Deshalb kämpft Schramm in seinem Programm „Meister Yodas Ende“ auch weniger gegen Menschen als gegen Systeme. Und gegen das Böse. Nicht etwa Angela Merkel und Konsorten, die nur Furunkel und Mitesser am Gesäß des Bösen sind, nein – die Habgier ist es, die Schramm als dessen Kernkraft ausmacht, die nur vom kurzfristigen Moment des Erwerbs und nicht vom langfristigen Besitz gestillt wird. Also legt er los, zielt auf Bänker und andere geldgierige Gestalten, und zwar weder mit einem Luftgewehr noch einer Mikrowellenkanone, sondern mit einem vernunftbegabten Bunkerbrecher. Damit sprengt er jedes Wortgebilde, jede Mauer aus „Herrschaftssprache“ und Arroganz. Und trifft immer die Richtigen. Von Schramm kann die ISAF-Schutztruppe noch etwas lernen.

Der Krieg in Afghanistan ist tatsächlich auch ein Thema des Abends. Ein heißes Eisen, selbst wenn ein Experte wie Oberstleutnant Sanftleben dazu Stellung bezieht und als erstes versucht, den Einsatz mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen und dann zwischen dem grundsätzlich unerwünschten Eigen- und dem gelegentlich unvermeidbaren Fremdblutfluss differenziert. Nur dass letzteres leider nie dann gelungen ist, wenn es sinnvoll gewesen wäre: In Srebrenica etwa, oder in Bengasi. Wobei auch hier das Grundgesetz im Wege stand und noch immer steht. Ein verdammt kniffliges Thema. Da kommt auch ein Oberstleutnant nicht weiter.

Auch deswegen ist Schramm zornig: Weil Logik und Moral immer wieder an ihre Grenzen gelangen. Ob es nun das Kind namens Griechenland ist, das Europa erst in den Schuldenbrunnen fallen lässt, um es dann klatschnass herauszufischen und ihm ein Taschentuch zum Abtrocknen gibt, oder die dauerweichgespülten Talkshows mit den „leere Worthülsen im Brackwasser der Beliebigkeit“ ausstoßenden Gästen, denen ein Moderator leider nie den Mund verbietet, weil er im Nacken schon den Atem von Friede Springer und Liz Mohn spürt. Bei diesen Themen bäumt Schramm sich auf, wipfelhoch, einen Wort-Tsunami entfesselnd, der die in Jahrzehnten zur Perfektion gebrachte Rhetorik des Meisters offenbart. Mit der deutschen Sprache vermag er, um an den Anfang anzuknüpfen, ebenso viel zu erreichen wie Yoda mit der Macht. Umso erstaunlicher ist es, dass Schramm immer wieder von den Zornesgipfeln hinuntersteigt und über das Alter spricht, über Demenz und die Angst vor auferzwungener Pflege. Und so ist der Abend im Pantheon auch schon ein erster Abschied. Ende 2013 will Schramm von der Bühne abtreten. Ob er dann aber still halten kann? Kaum vorstellbar. Wie auch immer er sich entscheidet: Möge die Macht mit ihm sein.

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