Bob Dylan: Gut gekrächzt ist halb gewonnen

Es ist mehr ein Kratzen, Krächzen und Bellen denn Singen, dass da von Bob Dylan ausgeht, diesem lyrischen Großmeister des Folk, der auf der Bühne des KunstRasens steht und die etwa 5000 Fans angrinst. Gut, Dylans Stimme war noch nie die Beste, aber inzwischen ist der böse Vergleich des „Time“-Magazins aus den 60er Jahren, diese klänge so als ob sie „über die Mauern eines Tuberkulose-Sanatoriums“ käme, gar nicht mehr so weit von der Realität entfernt.

Andererseits, was spielt das schon für eine Rolle? Keiner ist mit der Erwartung in die Rheinauen gekommen, eine Gesangssensation aus zu erleben. Oder auch nur einen Dylan, der noch so klingt wie vor 40 Jahren. Es geht nicht so sehr um die Stimme als um die Legende – und weil Bob Dylan genau das ist, verzeiht man ihm eigentlich alles. Selbst eine seltsam zusammengestauchte, komprimierte Version von „Blowing in the wind“ am Ende seines 100-Minuten-Konzerts.

Dabei gibt es einige Nummern, das einmal mehr die kompositorische Genialität Dylans unter Beweis stellen: Die wunderbar melancholisch-düstere „Ballad of a thin man“ etwa oder das flott-rockende „Highway 61“, auch die Walzer-Variante von „A hard rain's a-gonna fall“ oder das locker-leicht swingende „Spirit on the water“. Allesamt in der zweiten Hälfte des Konzerts verordnet, nach einer relativ abwechslungslosen Country- und Folk-Revue zu Beginn. Das ist dann die Kehrseite: Schon der Opener „Just like Tom Thumb's Blues“ wirkt etwas träge, „Man in the lang black coat“ und „Things have changed“ sind in Bezug auf das Arrangement fast austauschbar – zumal man die Texte der „Nebelkrähe“ sowieso kaum versteht. Dylan huscht dabei zwischen Gitarre, Mundharmonika und Keyboards hin- und her; auf letzterem klimpert er mit jeder Menge Spielfreude und nicht ganz so viel Talent herum, bis er – was meist relativ schnell geschieht – irgendwo eine zum Lied passende Melodie findet, die sich dann auch gut in das musikalische Konstrukt der Band einfügt. „Genialisch dilettantisch“ hat das erst vor kurzem ein Kritiker genannt, ein anderer verglich ihn liebevoll mit dem Muppet-Hund Rowlf. Stimmt beides.

A propos Band: Die war fantastisch! Präzise, sauber, voller Emotion und immer mit einem achtsamen Blick auf den 71-jährigen Dichterfürsten, der ja ganz gerne mal an der einen oder anderen Stelle schlichtweg spielen möchte. Soll er – das macht zu einem nicht unerheblichen Teil den Charme eines Dylan-Konzerts aus. Es ist das unvorhersehbare, das chaotische Element der Show. Verhunzt Dylan das Stück, so wie in Bonn das zur drastisch gekürzten belanglosen Midtempo-Nummer verkommene „All along the watchtower“, dessen Text schneller heruntergerödelt wird als selbst Herbert Grönemeyer dies jemals mit einem eigenen Stück vollbringen könnte? Oder veredelt Dylan ein Stück, so wie eben die „Ballad of a thin man“ oder den Klassiker „Like a rolling stone“? Und vor allem: Welches Stück spielt die Band gerade, so seltsam verfremdet, dekonstruiert und wieder anders zusammengesetzt? So viele Fragen, so viele Rätsel...

Von Bob Dylan ist keine Antwort zu erwarten. Seit Jahren redet er nicht mehr mit dem Publikum, die Kommunikation läuft nur noch über die Musik. Da hat er schon genug zu erzählen, auf die ihm eigene Weise. Und zwar auf immer wieder neue Art und Weise, um die Zuhörer erneut zum konzentrierten Zuhören zu bewegen und sie nicht beim Wiederkäuen altbekannter Geschichten stehen zu lassen. Das funktioniert nicht immer, manchmal wollen die Zuhörer einfach nur die gewohnte, geliebte Fassung hören. Aber manchmal macht es eben doch Klick – und das sind dann die grandiosen Momente mit Bob Dylan.

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