Manche Episoden im Leben wird man einfach nicht los. Sie bleiben in Erinnerung, egal wie weit sie in der Vergangenheit liegen. Sie definieren die eigene Biographie, und im schlimmsten Fall wird man auf diese Zeitspanne reduziert, auch wenn man viel mehr zu bieten hat. So wie bei Carl Verheyen. Der US-Gitarrist war 1985 und 1986 als Ersatzmann sowie von 1996 bis 2002 und dann noch einmal von 2010 bis 2012 als festes Bandmitglied Gitarrist bei Supertramp, insgesamt also elf Jahre lang, wenn man die ganzen Pausen rausrechnet. Macht sich ohne Frage gut im Lebenslauf, auch wenn der Stern der legendären Formation damals schon im Sinken begriffen war. Doch angesichts einer fünf Jahrzehnte umfassenden Karriere mit zahlreichen Veröffentlichungen unter dem eigenen Namen ist Verheyen doch mehr als das. In der Harmonie hat er jetzt zusammen mit seiner Band gezeigt, was in ihm steckt – und warum er von Musikern und Experten gleichermaßen zu den besten Gitarristen der Welt gezählt wird.
Die Suche dürfte vorbei sein: Die lautesten Fans der japanischen Band One Ok Rock kommen ohne Zweifel aus oder zumindest nach Köln. Die singfreudigsten ebenfalls. Bei ihrem ersten Konzert in der Domstadt zeigen sich die vier Mitt-Dreißiger auf jeden Fall vom Publikum begeistert – ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruht. Warum auch nicht? Immerhin geben One Ok Rock von der ersten Sekunde an Vollgas, hämmern harte Metal-Riffs auf mainstream-fähige Strukturen und lassen insbesondere bei ihren jüngeren Stücken deutlich die Einflüsse von Linkin Park und Good Charlotte mitschwingen. Massive Sounds schallen durch die Lanxess Arena, zum Teil radikal brachial und doch nie überladen, nur um dann wieder balladesk zu werden, mit kurzen Intermezzi einer Akustik-Gitarre. Und dazwischen die klare, mitunter fast schon androgyn wirkende Stimme von Frontmann Taka Moriuchi. Eine faszinierende Mischung.
Die Dottendorfer Jazznacht hat sich in den vergangenen Jahren einen hervorragenden Ruf erarbeitet und schon etliche hochkarätige Musikerinnen und Musiker zu Gast gehabt. Dennoch ist der Besuch von Nils Landgren fast so eine Art Ritterschlag für die Veranstaltungsreihe, immerhin gilt „Mr. Red Horn“ als einer der erfolgreichsten und profilitiertesten Jazzer Europas. Normalerweise würde man einen Künstler seines Kalibers eher in der Bundeskunsthalle oder in der Bonner Oper erwarten und nicht im Ortszentrum Dottendorf. Doch dank dem Kölner Pianisten Christian Frentzen ist das Wunder Wirklichkeit geworden: Dieser hat Landgren bei einem anderen Projekt kennengelernt, den Posaunisten und Sänger kurzerhand eingeladen und erst dann Impressario Herbert Kaupert den Termin vorgeschlagen. Der hat natürlich sofort zugeschlagen – und freut sich über ein Konzert, das den Besucherinnen und Besuchern sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Äpfel, Marshmallows, Gabeln und Putzzubehör: Im Grunde scheint es Andreas Wessels völlig egal zu sein, womit er jongliert. Wenn man es werfen kann, soll es auch fliegen dürfen, da ist der Berliner ganz pragmatisch. Im Pantheon, wo er nun sein aktuelles Solo-Programm „Move – Catch – Smile“ präsentiert, katapultiert er denn auch so einiges in die Luft. Doch reicht das, um einen ganzen Abend zu füllen? Ja, tut es – weil Wessels spröder Charme und sein Witz selbst die ein oder andere Panne überspielen können. Und weil er gut genug ist, um das Publikum immer wieder aufs Neue zu verblüffen.
Perlende Läufe, wilde Rhythmen und auch der ein oder andere Schlag auf die Saiten: Die Nacht der Gitarren, die in der Harmonie seit Jahren eine Institution ist, hat auch 2025 wieder die ganze Bandbreite eines Instruments offenbart, das keine Grenzen kennt, weder geographisch noch stilistisch. Klassik, Jazz, Rock und alles dazwischen erklingen, melodisch unbeschwert, melancholisch, jubilierend oder aufwühlend. Geht alles. Der Gypsy-Gitarrist Lulo Reinhardt, der die vom „Gitarren-Poeten“ Brian Gore initiierte internationale Konzertreihe in Deutschland konzipiert, hat diesmal mit der Britin Alexandra Whittingham, der Französin Elodie Bouny und dem Russen Alexandr Misko eine bemerkenswerte und erstklassige Riege von Musikern zusammengestellt, die in unterschiedlichen Konstellationen den Abend gestalten und dabei mühelos über die Saiten tanzen. Selbst wenn Sie dabei mitunter an die Grenzen der Gitarre stoßen.

Größer, moderner, frischer und frecher: In den vergangenen Jahren ist das Cologne Comedy Festival stetig gewachsen, hat sich aber auch der zunehmenden Bedeutung der Sozialen Medien ergeben und neue Formate etabliert, die den Künstlerinnen und Künstlern der Generation TikTok ebenso gerecht werden wie den alten Hasen. Vom 22. Oktober bis zum 9. November werden sich in der Domstadt daher Top-Stars und Newcomer in mehr als 150 Shows die Klinke in die Hand geben und den Humor in all seiner Vielfalt feiern. Was mitunter leichter gesagt als getan ist.
Wir leben in verstörenden Zeiten. In einer sich immer schneller transformierenden Welt gerät die Anpassungsfähigkeit der Menschen an ihre Grenzen – vor allem, weil wir uns selbst im Weg stehen. So sieht das zumindest Vince Ebert, der Meister der Ratio. Der Wissenschaftskabarettist wollte eigentlich gar kein neues Programm mehr schreiben, gerade weil er mit seinen Erklärungen kaum noch mit dem Fortschritt mithalten konnte, doch seinem Seelenfrieden zuliebe hat er sich noch einmal aufgerafft und mit „Vince of Change“ die soziologischen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte in den Mittelpunkt gestellt. Doch jenseits der von ihm verehrten Naturwissenschaften verheddert sich der 57-Jährige mitunter in Kommentaren über Befindlichkeiten, verzichtet auf eine klare Linienführung und verschießt scheinbar ziellos eine Pointe nach der anderen, oftmals plump – und deshalb mitunter ganz schön gefährlich.
Der Alltag ist öde? Dem kann Thees Uhlmann nicht zustimmen. Der Ex-Frontmann der Band Tomte, die ähnlich wie Tocotronic und Kettcar einst zur Speerspitze der Hamburger Schule gezählt werden, liebt den Alltag sogar. Denn gerade im scheinbar immer Gleichen findet er besondere Momente und eigentümliche Bilder, ein Aufleuchten im Grau der Kontinuität, ein Lichtblitz inmitten von Monotonie und Melancholie. Beim Auftakt der neuesten Ausgabe des WDR Rockpalast-Festivals in der Harmonie hat er mit einem abendfüllenden Konzert genau diese in Musik gegossenen Szenen präsentiert. Und er hat schon viele gefunden: In seiner Heimat in Nord-Niedersachsen, westlich der Oste und südlich der Elbe, gibt es zum Beispiel einen Punkt, von dem aus man drei Atomkraftwerke gleichzeitig sehen kann. Ein erschreckendes Bild, denkt man – aber für Uhlmann ist es auch faszinierend. Gerade weil man sich daran schnell gewöhnt hat. Denkt da noch irgendjemand drüber nach? Wohl kaum.
An Energie hat es Marla Glen noch nie gemangelt. Ganz im Gegenteil: Der Musiker mit der unglaublich tiefen Reibeisen-Stimme, der sich seit 2023 als trans Mann identifiziert, kann einfach nicht stillstehen. Wie auch, wenn man so tief in die Musik hineintaucht wie der 65-Jährige mit dem Blues im Blut und dem Soul in der Seele. Das Kribbeln ist einfach zu stark. Auch im Pantheon, wo Glen seit Jahren Stammgast ist, dreht sie von der ersten Sekunde an auf, wippt und tänzelt, sich am Mikrofonständer festklammernd und alles aus sich heraus lassend. Und das ist viel. Sehr viel. Schon bei „Travel“ gibt er alles, ebenso wie bei „The Cost of Freedom“, zwei seiner größten Hits. Was für ein Auftakt.
Ach ja, die Deutschen. Ein eigentümliches Völkchen. So blasiert wie Berlin, so trostlos wie Pirmasens und so von sich überzeugt, dass sie von sich selbst als Steigerung sprechen. „Ich bin nicht deutsch, ich bin deutscher.“ So viel Zeit muss sein. Jetzt nehmen sich René Sydow und Christian Miedreich bei ihrem ersten gemeinsamen Kabarettprogramm diesen unseren Landsleuten an, um in einer Art satirischem Heimatabend den Geist und die Seele der so genannten Germanen zu ergründen – ein Wort übrigens, das sich in mehr als einer Hinsicht mit „Spießbürger“ übersetzen lässt. Passt ja. Also wird gestichelt, was das Zeug hält. Gnadenlos rechnet das Duo bei der Premiere im Pantheon mit Vorurteilen und Wahrheiten gleichermaßen ab, wagen sich in den Bürokratendschungel und ins Mittelschichts-Biotop, setzt sich mit echten und gefühlten Befindlichkeiten auseinander und begeistert mit einer unglaublichen Spielfreude. Besser kann Nummernkabarett nicht sein. Böser auch nicht.
Streicheleinheiten für die lokale Seele: Ein paar lobende Worte für die Stadt, in der man gerade auftritt, ist für viele Bands eine Selbstverständlichkeit. Doch die Liebeserklärung von One Republic in Richtung Köln ist trotzdem auffällig. In der gut gefüllten Lanxess Arena bejubelte Frontmann Ryan Tedder mehrfach Deutschland im Allgemeinen und die Domstadt im Besonderen – immerhin soll hier die Erfolgsgeschichte des Sextetts begonnen haben, in den hiesigen Clubs und in Baden-Baden (Nicht fragen, selbst One Republic weiß nicht mehr genau, warum sie ausgerechnet dort einen Song bewerben sollten). Wie dem auch sei, es scheint geholfen zu haben. Immerhin ist die Band eine der erfolgreichsten der frühen 2000er Jahre, mit einem Sound, der – im Guten wie im Schlechten – im Herzen des Pop zu Hause ist. Und in Köln natürlich.
