The Dead South: Bluegrass in Schräglage

Ganz normal sind The Dead South nicht. Zumindest nicht, wenn man sie als reine Bluegrass- und Folk-Band bezeichnen möchte. Zugegeben, das Banjo-Spiel und der tanzende Bass (beziehungsweise in diesem Fall ein groovendes Cello) passen genau in dieses Schema, ebenso wie die Mandoline - aber die Musik, die das kanadische Quartett auf dem KunstRasen präsentiert, ist gleichzeitig gespickt mit augenzwinkernden Verfremdungen, bewussten Dissonanzen und rhythmischen Verschiebungen. Ja, die sind oft nur unterschwellig wahrnehmbar, doch schon die ständig eingebauten Pausen machen deutlich, dass hier die Irritation wichtiger ist als reine Unterhaltung. Einfach mittanzen geht nicht, das lassen The Dead South immer nur für ein paar Sekunden zu.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Dem Publikum ist das nur recht. Rund 2500 Besucherinnen und Besucher sind gekommen, um zu erleben, wie Sänger Nate Hilts und seine Bandkollegen Bluegrass auf links drehen und die düstere Seite des amerikanischen mittleren Westens zum Leben erwecken. Die Balladen sind an diesem Abend häufig Moritaten, die wilden Songs werden wahlweise mit Melancholie gekreuzt oder parodieren gnadenlos alle Hinterwäldler-Klischees. Und immer wieder schleichen sich Dissonanzen ein, die hervorragend zum kratzigen Gesang Hilts' passen, aber nicht direkt zum mutmaßlichen Genre. Verständlich wird dies mit einem Blick auf die Bandgeschichte. Die Idee zu The Dead South kam Nate Hilts und Bassist Danny Kenyon, während sie gemeinsam in einer Grungeband spielten. Das hört man bis heute, ebenso wie eine gewisse Punkrock-Attitüde. Die kommt zum Beispiel bei "Little Devil in Disguise" zum Vorschein, wenn Colton Crawford nicht nur das Banjo, sondern auch eine Base-Drum geradezu ekstatisch bedient. Dann wieder mäandern sie am Rande des Dark Folk und würden so sicherlich selbst Nick Cave glücklich machen. Und das Publikum sowieso.

Die Menge in der Gronau klatscht und jubelt ohnehin bei jeder sich bietenden Gelegenheit, die aus musikalischen Gründen nun mal nicht ganz so häufig sind wie bei anderen Konzerten. Doch bei "The Dead South" können die Fans alles rauslassen, bevor mit "In Hell, I'll Be in Good Company" der größte Hit der Band folgt. Wohlgemerkt nach gerade einmal 65 Minuten. Allerdings haben The Dead South noch ein paar Songs in petto, wenn auch nicht zu viele - schließlich will die Band eigenen Angaben zufolge nicht dafür verantwortlich sein, dass die arbeitende Bevölkerung am Montag nicht aus dem Bett kommt. Wie schön, dass es noch Musiker gibt, die mitdenken. Bis zum Schluss (nach immerhin gut 100 Minuten) passiert dafür noch einiges: Ein kleines Bühnengewitter hält die Menge nicht von Zugabe-Rufen ab, Danny Kenyon holt zwischendurch den Bogen raus, das Publikum darf noch mal tanzen, und Scott Pringle schrammelt sich mit seiner Mandoline um Kopf und Kragen. Dazu der charismatische Gesang von Hilts und alles wird gut. Selbst wenn textlich nicht alles eitel Sonnenschein ist, sondern stattdessen dunkle Wolken aufziehen. Davon muss man schließlich auch singen können.

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