
Eigentlich sollte sich alles draußen abspielen: Lieder von Liebe und Freiheit, von der Sonne beschienen und von den Fans bejubelt. So zumindest der Plan von Maite Kelly. „Ich bin ein Kind der frischen Luft“, hatte sie im Mai während eines Besuchs im Beethovenhaus betont und war damals voller Vorfreude auf ihre erste Open-Air-Tour als Solo-Künstlerin. Umso mehr dürfte es geschmerzt haben, dass die Schlagersängerin ihr Bonner Konzert jetzt ins Brückenforum verlegen musste, der Optik und auch der Kosten wegen. Die rund 1000 Fans hätten auf dem KunstRasen einfach völlig verloren gewirkt. Doch Maite Kelly ist Profi genug, um dies nicht als Niederlage sondern vielmehr als Chance zu sehen und bemüht sich, das Beste aus der Situation zu machen. Was nur zum Teil ausreicht.
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Selbstverständlich ist es übrigens nicht, dass Maite an diesem Abend auf der Bühne steht. Eigentlich, so erzählt sie, hätte der Veranstalter das Konzert komplett absagen wollen. Doch da habe sie nicht mitziehen wollen, aus Verantwortung gegenüber ihren Fans. Das ehrt sie, ebenso wie die Tatsache, dass sie beim Meet & Greet im Vorfeld ihres Auftritts wirklich mit jedem einzelnen der Anwesenden ein Foto machen wollte, auch wenn sich dadurch der Beginn des Konzerts um etwa eine halbe Stunde nach hinten verlagerte. Mangelndes Engagement kann man Maite Kelly also wirklich nicht vorwerfen. Sie versucht alles, um ihrem Publikum gerecht zu werden, trägt dabei nach eigenen Worten das Herz auf der Zunge – und stürzt sich dann sehenden Auges in die Schlagerfalle. Während sie mit „Sieben Leben“ noch Hoffnung auf ein paar halbwegs spannende Stücke macht, sind die darauf folgenden Lieder allesamt eine einzige Aneinanderreihung lyrischer und musikalischer Klischees, unterlegt mit einem stampfenden Beats im Viervierteltakt. Die Themen: Liebe, Liebe und Liebe, ob sie nun auf der „Isla d’Amor“ die Flippers imitiert oder mit „Rosen sind rot“ das Offensichtliche zur großen Erkenntnis stilisiert. „Das tut sich doch keiner freiwillig an / Weil die Liebe uns den Verstand nehmen kann.“ So sieht’s aus.

Andererseits ist derart überschaubare Musik offensichtlich genau das, was das Publikum haben will. Alle singen fröhlich mit: „la-la-la-la-la-la, la-la-la-la-la, oh ja, oh ja“, was will man mehr. Die Stimmung ist famos, die Arme in der Luft und die Augen – und Handys – alle auf Maite Kelly gerichtet, die permanent von zwei Tänzerinnen flankiert ist, deren exaltierte Choreographie auch vom Fernsehballett stammen könnte, nur eben personell abgespeckt und dafür gestisch noch weiter überzeichnet. Das kann doch nicht alles sein. Und tatsächlich will Maite Kelly mehr. Nicht ohne Grund stürzt sie sich in ein 90er-Jahre-Medley, in dem sie „What Is Love“ und „Sing Halleluja“ mit „Hell wie ein Kristall“ vermischt. Was wiederum nicht bei allen im Saal gut ankommt: Dem Vernehmen nach sind einige Besucherinnen und Besucher explizit früher gegangen, weil sie Maite Kelly hören wollten und nicht Dr. Alban. Erstere legt dagegen nach, bekennt sich zum Rock ’n Roll, versucht sich an Cher („If I Could Turn Back Time“) und Tina Turner („Simply The Best“) – und klingt auf einmal einhundert Prozent authentischer als während der ganzen Schlagerseligkeit. Die Stimme brodelt voll roher Energie, der bemühte Wohlklang mit dem leichten Vibrato weicht einem erdigen Sound, die Gitarre jault, das Schlagzeug dröhnt und Maite rockt, zumindest für einen kurzen Moment. Ja, das kann sie. Wirklich! Sollte sie ruhig öfter machen (immerhin – am Ende des Konzerts, nach der Kelly-Family-Hymne „An Angel“, setzt sie mit Robbie Williams’ „Angel“ noch einmal dementsprechend nach). Sicher, innerhalb der Schlagergemeinde könnte ein derartiger Image-Wechsel zu massiven Verwerfungen führen. Aber musikalisch wäre es allemal ehrlicher.
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