
Die Beats pulsieren, die Lichter zucken, die Menge tanzt. Hier im Schatten des Kölner Doms, vor lediglich 2500 Fans auf dem Roncalliplatz, geben die Elektronik-Visionäre von Faithless ihr zweites von insgesamt nur drei Deutschlandkonzerten, und zunächst scheint es, als wären die 90er Jahre zurückgekehrt. Dabei befindet sich die Trip-Hop-Band gerade in einer Zeit des Umbruchs: Nach dem Tod des charismatischen Sängers und Rappers Maxi Jazz ist die Formation um Keyboarderin Sister Bliss zerrissen zwischen Erinnerung und Zukunftsvision, zwischen Wiederauferstehung und Überwindung. Auf der einen Seite haben Faithless mit Sängerin Amelia Fox und ihrem Kollegen Nathan Bell zwei faszinierende neue Mitglieder, sondern mit „Champion Sound“ auch ein Album aufgenommen; letzteres soll im September erscheinen. Auf der anderen Seite lässt sich jemand wie Maxi Jazz nicht einfach ersetzen, und vor allem die größten Erfolge des Kollektivs sind ohne diesen kaum vorstellbar. Also wird er kurzerhand reinkarniert, zumindest digital zurückgeholt – und zwingen Fox und Bell geradezu in einen Vergleich, den sie einfach nicht gewinnen können.
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Dabei machen beide ihre Sache im Grunde gut. Insbesondere der introvertiert erscheinende Bell, der leider etwas weniger zum Einsatz kommt als seine flippige Kollegin, verfügt über eine faszinierende Stimme, und auch wenn er vielleicht nicht über die Ausstrahlung eines Maxi Jazz verfügt, ist er doch eine vielversprechende Ergänzung für Faithless. Fox ist derweil ein Ausbund an guter Laune, ein Mensch gewordener Flummi mit einer klaren Stimme – doch so richtig mitreißen kann die junge Sängerin das Publikum leider nicht. Das gelingt der Perkussionistin Lily Gonzales deutlich besser. Schade, dass sie nur selten zu sehen und zu hören ist.

Die Songs und Tracks von Faithless haben derweil nichts von ihrer Qualität verloren. Natürlich ist der Jubel groß, als der Über-Hit „Insomnia“ schon zu Beginn des Konzerts erklingt, und auch „God
is a DJ“ mit den typischen Spoken-Word-Phrasen von Maxi Jazz sorgt für Euphorie. „Respekt, Liebe, Mitgefühl. Das ist meine Kirche“, klingt es (auf englisch) aus den Lautsprechern; eine schöne
Aussage, vor allem an diesem Ort. Doch auch die zwei Stücke, die Faithless von „Champion Found“ im Gepäck hat, können sich beweisen, und das ziemlich eindrucksvoll. Der instrumentale Opener
„Forever Free“ klingt erfrischend, und mit „Fugitive“ setzen sie die Tradition der sozialkritischen Botschaftens von Jazz geschickt fort, der die Band schon immer geprägt hat.
Unmut sorgt dagegen die Länge beziehungsweise Kürze des Konzerts. Noch nicht einmal anderthalb Stunden brauchen Faithless für das Abspulen der Setliste, und das trotz des ein oder anderen
ausufernden Stücks. Leider ist das mittlerweile im Musikgeschäft der Standard, und so lange die Mehrheit dafür bereitwillig rund 75 Euro ausgibt und am Ende freudig von dannen zieht, wird sich
daran auch nichts ändern. Auf dem Roncalliplatz sind die unzufriedenen Gäste auf jeden Fall in der Minderheit – die meisten sind elektrisiert und begeistert von einer Band, in die der Tod von
Maxi Jazz zwar eine große Lücke gerissen hat, die aber dennoch auf einem guten Weg in Richtung Zukunft sind.
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