
Ein bisschen skurril ist es schon: Ausgerechnet eine deutsche Übersetzung hat der Jazz-Saxophonistin Christine Corvisier das Werk von Gilbert Bécauds geöffnet. Eine, die der große Chansonnier sogar selbst interpretiert hat. „Gilbert Bécaud singt deutsch“, ein obskures Album, das Corvisier sofort in seinen Bann zieht und sie davon überzeugt, einen Nachfolger von „Chansons des Cologne“ aufzunehmen, in dem sich ihr französisches Erbe mit der Eleganz des Swing und der Innovationskraft der Kölner Jazz-Szene verbindet. Was live noch einmal besser klingt als auf der umjubelten Platte, wie ein Auftritt im Pantheon im Rahmen der Reihe "Jazz in Concert" eindrucksvoll belegt.
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Tatsächlich wirkt gerade ihre Auseinandersetzung mit Bécaud ebenso reif wie intim. Dabei konnte die 43-Jährige mit „Monsieur 100.000 Volt“ ursprünglich gar nichts anfangen. „In meiner Jugend war er für mich ein Künstler, der Musik für meine Großeltern gemacht hat“, gesteht sie. „Da singt einer davon, dass ihn seine Frau verlassen hat, und ich dachte mir, dass mich das überhaupt nicht wundert.“ Sagt’s und interpretiert „Et Maintenant“ mit begeisternder Frische. Den Bolero-Rythmus des Originals hat sie kurzerhand in 11/4 notiert und den Marsch damit zum Tanzen gebracht – gleichzeitig bleibt sie der Melodie treu, lässt aber ihrem Pianisten Sebastian Scobel Raum für ein fantastisches Solo. Verstaubt und anachronistisch wirkt dies keineswegs, ganz im Gegenteil. So schön kann moderner Jazz klingen. Gleiches gilt für „Mes emmerdes“, einem Stück aus der Feder von Corvisiers Lieblings-Chansonnier Charles Aznavour. „Für mich klingt dieses Stück wie ein Jazz-Standard“, sagt sie und liefert den Beweis gleich nach. Zwar fehlt Posaunist Marshall Gilkes, der bei der Aufnahme als Gast mitwirkte, doch auch so erweist sich die Nummer als überaus kompakt, groovend und facettenreich.
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Ohnehin zeichnen – neben dem virtuosen Spiel des gesamten Quintetts mit den herrlichen Soli des Gitarristen Martin Schulte – vor allem die kreativen Arrangements und Eigenkompositionen das Konzert aus. Großartig etwa die von Sebastian Scobel geschickt verflochtenen Stränge von Charles Trenets „La Mer“ mit Claude Debussys sinfonischer Dichtung gleichen Namens, aufregend Edith Piafs „Padam Padam“ und wunderbar volltönend Corvisiers „Zodiac“. Drummer Alex Parzhuber und Bassist Matthias Nowak halten all dies auf Kurs, während Schulte, Scobel und natürlich Christine Corvisier mit immer wieder neuen Ideen aufwarten, die trotz mancher Ausflüge in die Weiten des Jazz stets der Melodie verpflichtet sind – da zeigt sich eben das Chanson-Erbe. Das kommt auch beim Publikum an: Nur selten ist bereits in der Pause die Schlange vor dem CD-Stand so lang wie bei diesem Konzert. Zu Recht.
Jazz in Concert
22.6., 18 Uhr: Jugend Jazz Orchester Bonn
2.10., 20 Uhr: Lars Duppler – eine Joni-Mitchell-Hommage auf die stille Tour
28.10., 20 Uhr: Finale Jazztube
23.11., 20 Uhr: 15 Jahre Jazzrocktv
Alle Veranstaltungen finden im Pantheon statt.
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