Moritz Netenjakob: Milchschaumschläger und Fußball-Riten

„Was in meinem Kopf herumspukt, das wollen Sie gar nicht wissen“, behauptet Moritz Netenjakob. Da irrt er. Ganz im Gegenteil wollen die Besucherinnen und Besucher der Springmaus genau das. Deswegen sind sie schließlich gekommen, wegen satirischer Geschichten über Gender-Sternchen (im besten Loriot-Stil) und über Fan-Gesänge in der Philharmonie, wegen der deutschen Antwort auf „Independance Day“ und auch wegen der Dialoge zwischen Udo Lindenberg, Peter Maffay und Rainer Calmund. Es geht eben gerade um diese Kopfgeburten eines leidenschaftlichen Kabarettisten, der sein eigenes Licht unter den Scheffel stellt und hinter den Kulissen ein gefragter Autor diverser Comedy-Formate agiert und auch für viele seiner Kolleginnen und Kollegen schreibt. Einst war er sogar Hausautor im Haus der Springmaus – wo Netenjakob jetzt mit seinem Best-of-Programm „Das Ufo parkt falsch“ einen Einblick in seine Gedankenwelt ermöglicht.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Warum er schreibt? Das ist eine schwierige Frage für Moritz Netenjakob. Eine, die zurückgestellt werden muss ans Ende des Abends. Stattdessen beantwortet der 55-Jährige lieber die Frage nach dem Wie. Und die nach dem Worüber. Er liebt die Absurditäten des Alltags, die Warnhinweise auf der Unterhose und die Bluetooth-Fähigkeit seiner neuesten elektrischen Zahnbürste. Er wundert sich über die schweigenden Schwaben (erst im Nachgang heißt es dann: „Esch war so lustisch“) und über den Alkoholpegel bei der Schmidt Mitternachtsshow auf der Reeperbahn („mein Programm funktioniert nur bis 1,4 Promille, und da waren sie alle drüber"). Und er amüsiert sich über die Familie seiner türkischen Frau mit all ihren Marotten, die mit der bildungsbürgerlichen Sphäre der eigenen Eltern ganz eigenwillige Stilblüten wachsen lässt. Letzteres arbeitet Netenjakob vor allem in seinem aktuellen Roman „Milchschaumschläger“ auf, der auf einer wahren Geschichte beruht: „Ich habe im August 2010 ein Café eröffnet“, gesteht er, „und im Mai 2011 habe ich es wieder geschlossen.“ War natürlich alles nur Recherche, klar.

Die literarischen Ambitionen Netenjakobs sind vor allem dann köstlich, wenn er es zum Clash der Kulturen kommen lässt, etwa wenn der strenggläubige muslimische Onkel Abdullah, der jegliche Form von Alkohol aus religiösen Gründen ablehnt, auf den Kölsch-Brauer Jupp trifft, oder sich die ganze Sippschaft zum gemeinsamen Fußballgucken trifft, Sieg verheißende Rituale inklusive. Zwischendurch offenbart Netenjakob dann die Top Ten der skurrilsten Tour-Erlebnisse und greift zudem auf seinen Fundus an Stimm-Parodien zurück, die allerdings mitunter etwas überstrapaziert sind: Die 435. Folge von Herbert-Grönemeyer-Genuschel ist im besten Falle nur noch banal. Dann schon lieber das Märchen von Hänsel & Grete im Stil von Gerd Rubenbauer. „Und die Hexe ist tot! Tot! Tot!“ Das hat Pfiff. Gut, Kinder werden so wahrscheinlich nicht einschlafen, aber da müssen sie schlichtweg durch. Wer weiß, vielleicht lachen sie ja auch über diese abstruse Form – und haben auf einmal keine Angst mehr vor der Hexe. Das nämlich kann Humor hervorragend, und das ist in einer Gesellschaft, in der ständig neue Ängste erfunden werden, geradezu essentiell. Womit Moritz Netenjakob auch die Frage nach dem Warum souverän beantwortet hat. 

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