Nacht der Gitarren: Magie mit sechs Saiten

Perlende Läufe, wilde Rhythmen und auch der ein oder andere Schlag auf die Saiten: Die Nacht der Gitarren, die in der Harmonie seit Jahren eine Institution ist, hat auch 2025 wieder die ganze Bandbreite eines Instruments offenbart, das keine Grenzen kennt, weder geographisch noch stilistisch. Klassik, Jazz, Rock und alles dazwischen erklingen, melodisch unbeschwert, melancholisch, jubilierend oder aufwühlend. Geht alles. Der Gypsy-Gitarrist Lulo Reinhardt, der die vom „Gitarren-Poeten“ Brian Gore initiierte internationale Konzertreihe in Deutschland konzipiert, hat diesmal mit der Britin Alexandra Whittingham, der Französin Elodie Bouny und dem Russen Alexandr Misko eine bemerkenswerte und erstklassige Riege von Musikern zusammengestellt, die in unterschiedlichen Konstellationen den Abend gestalten und dabei mühelos über die Saiten tanzen. Selbst wenn Sie dabei mitunter an die Grenzen der Gitarre stoßen.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Dafür ist vor allem Alexandr Misko verantwortlich. Der Fingerstyle-Virtuose hat – neben allerlei Effekt-Pedalen – extra seine einzigartige „Frankenstein-Gitarre“ mitgebracht, ein wahres Monster mit allen möglichen Tasten über den Wirbeln und am Steg. Diese erlauben Misko, vier verschiedene Töne pro Saite zu spielen, ohne sich um Gitarrengriffe kümmern zu müssen. Dafür müssen seine Hände aber ständig quer über das Instrument springen. Normal ist das nicht, einfach ebenso wenig. „Sonst wäre das ja auch langweilig“, kommentiert Misko lachend und steckt mal eben eine DVD zwischen die Saiten, um sein Instrument zu präparieren und einen schnarrenden Sound zu erzeugen. Muss man mögen. Eindrucksvoll ist Miskos dynamisches Spiel aber auf jeden Fall, zumal er sich auch problemlos auf seine Kolleginnen und Kollegen einlassen kann, mühelos ins klassische Fach wechselt oder auch mal zusammen mit Alexandra Whittingham in Richtung Folk geht.

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Letztere hat zuletzt einige Konzerte in Schottland gegeben und dabei auch Peter Maxwell Davies’ Komposition „Farewell to Stromness“ ins Repertoire aufgenommen. Dabei liegt ihr Schwerpunkt eigentlich eher auf der Musik des 19. Jahrhunderts – was nicht heißen soll, dass die charmante Mittzwanzigerin sich nur darauf beschränkt. Für ihren eigenen Solo-Auftritt verzichtet sie ohnehin auf klassisches Material und widmet sich mit „La Vie en Rose“ und „La Foule“ lieber Edith Piaf. Immerhin sind die beiden Stücke auf ihrer brandneuen Platte „Letters from Paris“, da kann man ja zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und sowohl ein bisschen Werbung machen als auch das Publikum begeistern, das mit den Chansons durchaus vertraut ist. Und in den noch fehlenden Duo-Konstellationen? Geht es für Whittingham eher in Richtung Lateinamerika, unter anderem zu dem Kubaner Leo Brouwer, den sie zusammen mit Lulo Reinhardt würdigt. Für diesen ist dieser Fokus nur folgerichtig: Reinhardt, der tatsächlich der Urgroßneffe des legendären Gypsy-Swing-Gitarristen Django Reinhardt ist, hat schon vor mehr als 30 Jahren begonnen, die Musik seiner Vorfahren mit Flamenco und Latin zu verschmelzen. 

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Dementsprechend temperamentvoll ist sein Spiel, aber auch überaus unterhaltsam – vor allem im Duett mit Alexandr Misko, der Reinhardt sogar dazu bringt, die Haare zu öffnen und sich ein bisschen am Headbanging zu versuchen. Andererseits schlägt Reinhardt aber auch direkt zu Beginn des Konzerts melancholische Töne an, um der Ukraine zu gedenken und ein Klang gewordenes Manifest für Freiheit und Grenzenlosigkeit von den Saiten perlen zu lassen.

 

Die Nähe zur lateinamerikanischen Musik teilt Reinhardt übrigens auch mit Elodie Bouny, die über ihre Mutter bolivianische Wurzeln hat und auch über eine enge Verbindung zu Brasilien verfügt. Erstaunlicherweise nehmen bei ihrem Programm Stücke aus ihrer Feder den geringsten Raum ein, obwohl ihre Eigenkompositionen in ihrer Biographie noch den größten Raum einnehmen. Andererseits ist ihr Auftritt mit Alexandr Misko, der stilistisch am weitesten von ihr entfernt ist, einer der Höhepunkte des Abends. Zum Finale versammeln sich schließlich alle vier Musikerinnen und Musiker auf der Bühne und präsentieren eine exzellente Version von Astor Piazollas „Libertango“. Auch ein Freiheitslied. Passt.



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