Miu: Am Ende wird gerockt

Zehn Jahre gehen schnell vorbei. Viel zu schnell, sagen viele. Was man da alles nicht mitbekommt und schlichtweg verpasst. So wie die Karriere von Miu. Seit einer Dekade steht die charmante Hamburgerin nun schon auf der Bühne, und dennoch sind bei ihrem Konzert in der Harmonie, das sowohl Jubiläum als auch Debüt ist, viele im Publikum zum ersten Mal bei ihr (selbst ihr Auftritt bei der Dottendorfer Jazznacht im vergangenen November hat lediglich zwei oder drei treue Seelen nach Endenich gelockt). Was ein Fehler war, wie die meisten schnell feststellen. Nicht nur, weil Miu eine ebenso charismatische wie ausdrucksstarke Sängerin ist, sondern auch weil der vermeintliche Soul-Pop erstaunlich viele Farben aufweist, von mitternachtsschwarz bis sommersonnengelb, von melancholischer Nachdenklichkeit bis hin zu druckvollem Protest. Und das ist nur die erste Hälfte.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Ohnehin sind Miu und ihre Band bestens gelaunt, auch wenn der Saal durchaus voller hätte sein können. Der volle, wuchtige Sound aus den Boxen stellt denn auch gleich einmal klar, dass der Versuch einer stilistischen Einordnung schnell an seine Grenzen gerät. Hier wird auch mal ordentlich gerockt, gnadenlos direkt und überraschend düster. Was allerdings nicht lange vorhält. Spätestens beim Mitsing-Lied „So Much More“, einem Lied über quälende Fragen zu Beginn einer sich anbahnenden Beziehung. Derartige Teenie-Probleme wirken ein wenig skurril, sind aber zum Glück nur eine Phase. Miu kann auch anders: Mit „The Reminder“ erinnert sie daran, dass jeder Einzelne ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus setzen kann, dass man aufstehen und sich äußern sollte, anstatt den Raum jenen zu überlassen, die schon jetzt am lautesten schreien, nur eben auf der falschen Seite. Angesichts des Hausverbots gegen Juden, das ein Flensburger Ladenbesitzer erst vor wenigen Tagen öffentlich in sein Fenster gehängt hat, sind diese Mahnung und diese Haltung wichtiger denn je.

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Wer meint, das würde schon gut klingen, hat die Rechnung ohne die Band gemacht: Nach der Pause dreht sie erst so richtig auf und ist inzwischen eindeutig im Rock gelandet. „Perfect“, „Dark Place“, „Geneva“, eine druckvolle Nummer nach der anderen sorgt im Saal für Begeisterung. Gitarrist Magnus Landsberg darf auch mal seine Solo-Fähigkeiten unter Beweis stellen, Drummer Robin McMinn tobt sich auf den Toms aus, und Bassist Falko Harriehausen sowie Keyboarder Joscha Farries kommen endlich aus ihrem stoischen Trott heraus. Das hilft auch bei „Mirror“, einer Nummer, die die Band seit sechs Jahren nicht mehr gespielt hat und die einen schönen Kontrast bildet zu „Almost Over You“, dem letzten Stück vor der Pause und dem ersten, das Miu an diesem Abend aus ihrem neuen Album „Ten Times Around The Sun“ vorstellt. Eine nette Piano-Ballade voller Pathos, die mit anderen neuen Stücken – unter anderem ihre erste Single „Run Boy“, die später am Abend folgt – allerdings nicht ganz mithalten kann. Egal, Spaß macht die Musik trotzdem. Und so lohnt es sich, Augen und Ohren nach Miu offen zu halten. Zumindest für die nächsten zehn Jahre.


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