Jean Faure: Der Wind hat ihm ein Lied erzählt

Natürlich geht es um die Liebe. Und um Sehnsucht, um Lust, um Hoffnungen und um Träume, um Alltagsrassismus und um Völkerverständigung, um das Meer und um den Wind, der schon so manches Lied erzählt hat. Kurzum, es geht um das Leben in all seinen Facetten, das den französischen Chansons zugrunde liegt und das Jean Faure samt seinem Orchester seit immerhin 18 Jahren so unglaublich charmant und gefühlvoll zu Gehör bringt, das man zumindest in Bonn besagtes Genre beinahe automatisch mit ihm in Verbindung bringt. Anlässlich der erreichten Volljährigkeit seiner Solistenkarriere widmet sich der Bonner Musiker bei einem Konzert im restlos ausverkauften Pantheon den „Grands Succès“, den großen Erfolgen – und auch wieder einigen unbekannteren Perlen.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Brel und Brassens, Trenet und Moustaki, Barbara und Piaf: Jean Faure liebt sie alle, jeden auf seine Weise. Doch mindestens genauso sehr genießt er es, neue Stücke zu entdecken, die es eben nicht in die Charts gebracht haben wie „Les Feuilles Mortes“, „Nathalie“ oder das unsterbliche „Champs Élysées“, bei dem das Publikum zumindest den Refrain ausgelassen mitsingen kann. Erst vor kurzem, so erzählt er, hätte er ein Stück einer französischen Vokal- und Kabarettgruppe namens „Les Frères Jacques“ aus den 70ern entdeckt, eine satirische Nummer aus der Feder von Jacques Grello mit dem Titel „Il Fait Beau“, die mit dem schönen Wetter eigentlich nur am Rand zu tun hat. Ein Lied über einen Seitensprung, der zu einem flotten Dreier ausartet und trotzdem ganz unbedarft daherkommt – das geht halt nur auf Französisch. Derartige augenzwinkernde Kommentare auf die Moral feiert Faure geradezu, kein Wunder angesichts seiner Vergangenheit als Vereinsfranzose beim legendären Pink Punk Pantheon, den er 1983 zusammen mit Rainer Pause und Norbert Alich aus der Taufe hob. Und damit auch jeder im Saal etwas davon hat, selbst jene, deren Französisch-Kenntnisse inzwischen unter einer meterhohen Staubschicht vor sich hinmodern, übersetzt Faure ganz nonchalant den Text, mit blitzenden Augen, aus denen der Schalk spricht, und mit einem feinen Gespür nicht nur für seine Muttersprache, sondern auch für die deutsche. Dies hilft enorm, vor allem wenn es um komplexere Geschichten geht, so wie die über eine Art Brausepulver-Lotterie („Mistral Gagnant“ von Renaud, angeblich eines der Lieblingslieder der Franzosen) oder, mit deutlich ernsterem Tenor, die über Lily aus Somalia, die auf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hoffte und feststellen musste, dass „die Farbe der Verzweiflung schwarz ist“, wie Faure es geschickt formuliert.

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Die Magie von Jean Faure, der mit unvergleichlichem Feingefühl Chansons aus sechs Dekaden interpretiert und sich zu eigen macht, kann natürlich nur dank einer exzellenten Band wirken. Drummer Dirk Ferdinand, der schon zu Beginn des Konzerts mit einem Solo auf sich aufmerksam macht, und Bassist Markus Quabeck sorgen für ein solides Fundament, auf dem Gitarrist Kristaps Grasis und Pianist Hedayet Djeddikar auf- und ausbauen, dass es eine Freude ist. Und dann wäre da noch Multiinstrumentalist Matthias Höhn, der so ziemlich alles spielen kann, immer wieder neue Klangfarben hinzufügt – und so ganz nebenbei für alles verantwortlich ist. Auch für Jean Faure als Sänger einer eigenen Band. Ursprünglich hatte dieser nämlich nichts Derartiges geplant, wie er gesteht. Ja, beim Pink Punk Pantheon habe er als Ensemble-Mitglied auch mal einen Chanson gesungen, aber ein abendfüllendes Programm, das konnte er sich früher einfach nicht vorstellen. Höhn dagegen schon. Hinter Faures Rücken stellte er das Quintett zusammen, organisierte sogar einen Konzerttermin und brachte Faure damit in eine Zwickmühle, aus der es nur einen Ausweg gab: Rausgehen und singen. 


„Ich fand das am Anfang gar nicht gut, ganz im Gegenteil, ich war richtig sauer“, hat er erst vor kurzem in einem Interview gestanden. „Auf einmal hatte ich die Verantwortung für einen Haufen Musiker, die sich in den meisten Fällen überhaupt nicht kannten und jetzt mal gerade eben anderthalb Stunden Material einstudieren mussten. Trotzdem bin ich letztlich ins kalte Wasser gesprungen – und dafür bin ich Matthias bis heute unglaublich dankbar.“ So wie wahrscheinlich jeder einzelne Besucher des Pantheons. 

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