
Schnörkellos, authentisch, eingängig und trotzdem gesellschaftskritisch: Wenn Fury in the Slaughterhouse loslegen, bewegen sie gleichzeitig Hirn und Herz. Die Band um die beiden Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder ist dafür bekannt, dass sie von ihren Fans Haltung einfordert und ihnen dafür herrlich gradlinigen, aber auch nachdenklichen Rock schenkt, den man in der Regel schon nach den ersten Takten erkennt. Oder zumindest eindeutig zuordnen kann. Damit haben die Furys (neben den Scorpions der zweite große Rock-Export Hannovers) vor allem in den 90ern eine ganze Generation geprägt. Jetzt haben die Furys vor gut 8000 Menschen auf dem Bonner KunstRasen gespielt und bewiesen, dass ihre Musik nach mehr als 35 Jahren (davon 25 aktiven) aktueller ist denn je. Und so intensiv wie immer.
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Offenbar kann das Sextett es kaum erwarten, für sein Publikum zu rocken. Schon zehn Minuten vor dem offiziell verkündeten Konzertbeginn kommen Fury in the Slaughterhouse auf die Bühne am Fuße des Post-Towers und legen los – allerdings zunächst mit „Protection“, einem Cover-Song der britischen Band Fischer-Z, die schon lange zu den Lieblingseinflüssen der Band gehört, sowohl stilistisch als auch politisch. Was folgt, ist eine Lektion in Sachen vorsichtiger Optimismus und melancholischem Realismus: „Better Times Will Come“ und „Why Worry?“ versprechen Hoffnung, „Milk & Honey“ oder auch das nagelneue, akustisch präsentierte „Sorrowland“ legen dagegen den Finger in die Wunde. „Change ourselves and change our behaviour / Is a good idea and a very nice speech / But empty words won't save ya“. Die leeren Versprechen, sich ändern zu wollen, werden uns nicht retten. Da nicken viele Köpfe im Takt. Ob die Verse aber ernst genommen werden? Wer weiß. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Die Furys wollen auf jeden Fall etwas bewegen, und sei es nur die Menge vor der Bühne. Also holen sie zunehmend die großen Hits raus, die einfach immer funktionieren und die jeder regelmäßige Radiohörer unweigerlich mitsingen kann. Bei „Radio Orchid“, dieser Ballade der einsamen Herzen, pilgert Kai Wingenfelder mit seiner rauen, unverkennbaren Stimme zudem einmal quer durchs Publikum, später wird der zur Dauerschleife mutierende Refrain von „Won’t Forget These Days“ die Band für die Zugaben zurück auf die Bühne holen. Dazwischen machen Fury in the Slaughterhouse klar, was sie von den Politikern der Gegenwart halten: Bei „Every Generation Got Its Own Disease“ flackern Porträts von Donald Trump, Elon Musk und Alice Weidel über die Video-Leinwand, ebenso wie Szenen von Krieg und Gewalt; und vor „Kick It Out“ erklärt Gitarrist Christof Stein-Schneider mit vor Wut schwangerer Stimme seine Kandidatur für die Führung der „Bananenrepublik“ Deutschland, um die „blau lackierten Braunen“ rauszuschmeißen und dem Rest des Haufens einmal gehörig den Marsch zu blasen. So deutlich werden selbst die Furys selten.
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Aufgeben und den Kopf in den Sand stecken ist für die Wingenfelders und ihre Band-Kollegen aber keine Option. Also tun sie, was sie können: Auf ihren Konzerten bitten sie im Rahmen ihrer Aktion „Hoffnung ändert alles“ um das Pfand der Getränkebecher, das an verschiedene gemeinnützige Organisationen geht; in Bonn wird die Deutsche Knochenmarkspenderdatei bedacht. Daran gekoppelt ist ihr Song „Everyday Heroes“, der all jenen gewidmet ist, die dieses Land während der Corona-Pandemie am Laufen halten, all den Notärzten, Busfahrern, Müllmännern, Pflege- und Lehrkräften. Auch dafür gilt: Nicht vergessen. „Won’t Forget These Days“. Kein Wunder, dass diese Nummer bei jedem Konzert der Furys seinen festen Platz hat. Gleiches gilt übrigens für die ewige Zugabe „Time To Wonder“, und für die liebevolle Akustik-Ballade „Seconds To Fall“, die das Publikum leise in die Nacht entlässt. Den Abend wird es nicht so schnell vergessen. Die Botschaften der Furys hoffentlich auch nicht.
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