
Die Haut ist faltig, windgegerbt und scheinbar zu groß für die schmächtige Gestalt von Iggy Pop, der sich gleich zu Beginn seines Auftritts am Kölner Tanzbrunnen einer Weste entledigt und mit freiem Oberkörper auf der Bühne steht, so wie schon seit über 60 Jahren. Sie ist eine Art Pergament für die Autobiographie des „Godfather of Punk“: Früher hat er sie ziemlich malträtiert, hat sie zerschnitten und zerstochen, hat sich in Glasscherben gewälzt und ihr mit Spritzen zugesetzt. „Mir ist egal, wie ich aussehe, aber nicht, wie ich mich fühle“, sagt er heutzutage. Deshalb kann er auch mit 78 Jahren noch so auf der Bühne stehen, kann die Spuren des Alters ebenso zeigen wie die krumme Wirbelsäule und die schiefe Hüfte, die mit seinem verkürzten rechten Bein zusammenhängen. Und trotzdem lebt er den Rock ‘n‘ Roll so wie eh und je, voller Energie, voller Leidenschaft, roh, ekstatisch und auf den Punkt. Also so wie immer. Was schon einem Wunder gleichkommt.
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Iggy Pop braucht, so scheint es zumindest, die Musik so wie die Luft zum Atmen. Wenn er auf der Bühne steht, ist er nicht der humpelnde Alt-Punk, sondern ein Künstler, der ähnlich wie der unverwüstliche Keith Richards allen Zeichen des Alters trotzen kann. Gut, ein paar Songs singt er an diesem Abend in Köln auf dem Boden sitzend, was angesichts von tropischen 38 Grad aber auch nachvollziehbar ist. Doch selbst in diesen Momenten verfügt er über eine ungeheure Präsenz, der man sich nicht entziehen kann, die über das rein Körperliche hinausgeht, oder über das Musikalische. Wenn Iggy Pop singt, schwingt eine Urgewalt in seiner Stimme mit und ein stählerner Wille, mit dem er sich selbst immer wieder aufpeitscht, um all seine Hits zu präsentieren: Nummern seiner alten Band The Stooges wie „Raw Power“, „I Wanna Be Your Dog“ oder dem großartigen weil vielseitigen „I’m Sick Of You“, aber auch Stücke aus seiner Solo-Karriere, darunter „Lust for Live“ und das treibende „Passenger“. Beide stammen aus seiner Zeit in Deutschland, entstanden in den gemeinsamen Berliner Jahren mit David Bowie, damals, Mitte der 70er, als Iggy dabei war, sich selbst zu zerstören. Sein Mentor Bowie brachte ihn einerseits näher an den Pop heran, schubste ihn andererseits aber auch in Richtung Post-Punk-Avantgarde beziehungsweise Industrial Rock, mit Noise-Effekten und brachialem Shouting so wie bei „Nightclubing“ – „Frenzy“ von seinem aktuellsten Album „Every Loser“ knüpft nahtlos daran an.

Den dafür nötigen Drive erhält Iggy Pop dabei von einer siebenköpfigen Band, bei der vor allem die Rhythmus-Section wunderbar auf den Punkt spielt. Die Bläser wirken dagegen manchmal ein bisschen fehl am Platz und könnten ruhig noch etwas knackiger und schärfer klingen. Immerhin halten sie dem 78-Jährigen den Rücken frei, damit dieser machen kann, was er will. Also brummeln, jaulen, schreien, singen, tanzen, wackeln, kantig klingen – und vor allem immer wieder mit dem Publikum interagieren. Als ehrliche Haut weiß er genau, was er seinen Fans alles zu verdanken hat. Und wie viele Konzerte er, der alle anderen Stooges überlebt hat, noch absolvieren kann. Nach derzeitigem Stand noch viele, zumal Iggy zweifelsohne zu jener Generation von Musikern gehört, die man irgendwann von der Bühne wird tragen müssen. Ein Leben ohne Rock ‘n’ Roll? Für ihn undenkbar. Auch davon erzählt sein Körper. Da passt es, dass er das Konzert nach rund 90 Minuten mit „Funtime“ abschließt. Einmal noch Danke sagen, abgehen, Schluss. Ohne Kompromisse, ohne rührselige Gesten, ohne Zugaben. Aber mit Nachwirkung: Das Publikum ist auf jeden Fall restlos begeistert und hat von Iggy – in Negation der Stooge-Nummer „I’m Sick Of You“ – definitiv noch nicht genug.
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