Morrissey: „Ich mag den Geruch von Köln“

Der große Skandal ist ausgeblieben. Wie leicht hätte etwas passieren können. Immerhin gilt Morrissey als vergleichsweise schwieriger Künstler, der schon einmal ein Konzert abgebrochen haben soll, weil jemand im Publikum Fleisch gegessen hat, und auch mit politisch fragwürdiger Polemik oder zynisch-bösartigen Kommentaren ist der Ex-Frontmann der Band The Smiths zuletzt negativ aufgefallen. Im Palladium fokussiert sich der 66-Jährige stattdessen auf seine Musik, wispert nur kurz „I love the smell of Cologne“ und stürzt sich dann in die Songs. Und selbst deren Inhalte sind an diesem Abend vergleichsweise brav. Was alles andere als selbstverständlich ist.

Eigentlich ist Morrissey ein Künstler, der anecken will. Einer, an dem sich die Gesellschaft und seine Fans reiben und dessen Songs gleichermaßen berühren und erregen. Und einer, der sich darüber ärgert, dass manches aus seinem Œuvre bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren hat. „Ihr werdet heute Abend einige Lieder hören, die ihr noch nicht kennt“, sagt er und meint damit in erster Linie drei Stücke aus dem nie veröffentlichten Album „Bonfire of Teenagers“. Ein Best-of-Konzert gibt es bei Morrissey hingegen nicht. 

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Immerhin spielt er Klassiker wie „Everyday Is Like Sunday“, bei dem das Publikum lautstark mitsingt, oder den Opener „You’re the One for Me, Fatty“ vom „Your Arsenal“-Album. Überraschend ist dagegen, dass das komplette aktuelle Album „I Am Not a Dog on a Chain“ fehlt. Na ja, immerhin scheint Morrissey sich wohlzufühlen. Seine leicht nöhlende, gleichzeitig aber auch elegisch-hypnotische Stimme scheint wie für Klagelieder gemacht, selbst wenn diese mitunter ein bisschen Tempo und Kraft gewinnen. Letzteres kollidiert allerdings mit der besonderen Akustik des Palladiums: Vor allem voluminösere Nummern wie die alte Smiths-Nummer „How Soon Is Now“ schmieren schnell in einem Klangbrei ab, während das klar instrumentierte Rockabilly-Stück  „The Loop“ besser rüberkommt.

Trotz des mittelmäßigen Sounds und der olfaktorischen Überreizung – der Saal des Palladiums riecht dank tausender schweißnasser Körper wie ein Pumakäfig – ist ein Großteil des Publikums begeistert. Morrisseys Lieder schwanken zwischen utopischem Traum und reellem Wahnsinn, zwischen Empfindlichkeit und Zorn, haben manchmal Dark-Wave-Anklänge und loten dann wieder alle Spielarten des Rock aus, ohne dabei jemals den eigentümlichen Morrissey-Stil zu verlieren. Und das macht zumindest in den Augen vieler Fans so manche problematische Aussage wieder wett.

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