
Ab einem gewissen Punkt ist einem nichts mehr peinlich. Kennt man ja vom Karneval. Oder von der Pubertät. Wer mit Katzenmasken und Penis-Kostümen durchs Leben tanzt, ein Geburtstagslied im Metal-Stil grölt und all das für alltäglich hält, ist schon ein bisschen verrückt. Oder Mitglied in der Band von Mirja Boes. Im Zweifel beides. Die 53-jährige Komikerin und heimliche Partyschlager-Sängerin (seit fast 25 Jahren tritt sie unter dem Namen „Möhre“ am Ballermann auf) hat mit ihren „Honkey Donkeys“ tatsächlich vier Männer gefunden, die für Geld offenbar alles machen. Was einfach nur peinlich sein könnte. Aber eigentlich ziemlich lustig ist, vor allem weil sich im Rahmen des Programms „Arschbombe Olé“ auf der Bühne niemand ernst nimmt – und weil Mirja Boes ein gutes Gespür für Pointen hat, die ganz knapp am Abgrund entlangschlittern und immer im richtigen Moment die Kurve kriegen. Nun haben sie und ihre Band im Haus der Springmaus Station gemacht.
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Natürlich ist „Arschbombe Olé“ nicht sonderlich tiefgründig. Aktuelle Sorgen sind am Eingang abzugeben, darauf legt Mirja Boes großen Wert. Was sie will, ist Quatsch machen. Ringelpietz mit Anfassen, und dann mit dem nackten Hintern ins Fettnäpfchen, und zwar mit Karacho. Gut, letzteres geschieht dann doch eher selten, weil Boes im Grunde bei den bewährten Themen bleibt, also bei Männern, Frauen, Katzen und Kindern. Da kann man nicht viel verkehrt machen. Also plaudert die schlagfertige Blondine über die selten gewünschte aber trotzdem immer wieder geschenkte Zeit mit der Familie, über Paar-Aktionen in der Sauna (heiß, aber langweilig), bei der Massage (glitschig und unbefriedigend) und beim Joga (anstrengend und problematisch) und über Katze Calli, die laut ihrem Tagebuch offenbar kein besonders positives Bild von ihrer Ernährerin zu hat. „Die ist lieb, aber dumm“, schreibt das garstige Tier. „Immerhin kann sie gut kraulen.“ Und selbst hinlänglich bekannte Situationen aus zahlreichen Comedy-Programmen mit einem feinen Gespür für Tempo und Timing zu überaus lustigen Erfahrungen machen.

Ausgiebig widmet sich Mirja Boes ihren beiden Söhnen, die gerade in die Pubertät kommen und auf der einen Seite etwas verunsichert zu sein scheinen – was wohl nicht zuletzt an der Ständerfee
liegt, die als dritte Inkarnation der Nuckie- und der Zahnfee Gehirnzellen durch Samen ersetzt – und auf der anderen Seite mit großer Zuversicht in Richtung Peinlichkeit stapfen. Andererseits,
waren die Eltern früher anders? Nein, sagt zumindest Mirja Boes und berichtet von einem kleinen Selbsttöner-Experiment am Strand von Lloret de Mar.
Zwischen ihren Ausführungen greift Mirja Boes immer wieder zum Mikro und holt ihre Band auf die Bühne, die sich bei jedem Song in andere abstruse Kostüme stürzen. Eng anliegende Badeanzüge,
glitzernde Schlager-Outfits und die bereits genannten aufblasbaren Penisse sind nur die Spitze des Eisbergs. Da schwingt schon eine gewisse sadomasochistische Ader mit, anders lassen sich diese
Outfits nicht erklären. Gleichzeitig geben sich die Musiker so selbstbewusst, dass es eine Freude ist, zumal die Band durchaus spielen kann, wie sich gegen Ende in einer leider überlangen Nummer
zeigt, in der „Wie schön, dass du geboren bist“ durch den Musikstil-Häcksler gejagt und unter anderem als Hip-Hop-, Free-Jazz- und Bollywood-Version dargeboten wird. In der Summe leider ein
bisschen zu viel, zumal Boes und Co mehr können. Gut, zugegeben, der Rest ist Schlager, dafür aber ganz nett und bei der „Ode an die Mütter“ mit dem augenzwinkernden „Brothers in Arms“-Intro und
einigen feinen Zeilen sogar richtig schön. Und nicht mehr peinlich. Immerhin.
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