Eigentlich können sich Amanda und Elyot nicht ausstehen. Beide sind volatile Charaktere, impulsiv, streitlustig, arrogant – und zumindest auf emotionaler und verbaler Ebene sadomasochistisch veranlagt, wenn auch eher unbewusst. Sie halten sich einfach nicht aus, zumindest nicht länger als ein paar Tage. Aber sie können gleichzeitig auch nicht voneinander lassen. Die beiden Hauptfiguren von Noel Cowards zeitloser Komödie „Private Lifes“ (1930), die sich fünf Jahre nach ihrer Scheidung mit ihren jeweils frisch angetrauten Ehepartnern auf Hochzeitsreise in einem Hotel treffen und spontan zusammen durchbrennen, brauchen schließlich Gegner, keine Opfer. Das dazu führt allerdings zwangsläufig dazu, das zwischendurch die Fetzen und die Fäuste gleichermaßen fliegen. Jetzt hat Frank Oppermann diesen Klassiker mit einem erfrischenden Ensemble im Kleinen Theater Bad Godesberg inszeniert, mit großem Geschick für Timing, Witz und Tempo, herrlich zeitlos und gnadenlos bissig. Kurzum perfekt. Und unglaublich komisch.
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Die unverhoffte Begegnung der beiden Streithähne kann nur in einer Katastrophe enden, dass ist allen Beteiligten schnell klar. Dabei wollen Amanda (Anna Möbus mit burschikoser Schnodderigkeit)
und Elyot (Max Beier) nur Frieden. Kein Wunder, dass sie bei der Partnerwahl relativ bieder geblieben sind: Victor (herrlich blasiert: Manuel Jadue) ist ein Gentleman par excellence, nur leider
ein bisschen langweilig; und Sibyl (Lorena Krüger) wirkt wie eine unschuldige Landpomeranze mit dünnem Fell und schwachen Nerven. Dumm nur, dass sich beide an ihren Vorgängern messen lassen
wollen, was Elyot und Amanda zur Weißglut bringt. Und zur Verzweiflung. Denn natürlich ist ihnen klar, was geschieht, sollten Victor und Sibyl auf diese treffen. Als Elyot und Amanda nach Paris
flüchten, scheint zumindest diese Gefahr gebannt, zumal die Leidenschaft zwischen beiden neu entfacht ist. Doch ist die Harmonie nicht von Dauer, der Rosenkrieg nur eine Frage von Tagen, selbst
bei der Einführung eines „Safe Words“, mit dem im Streit zwei Minuten Schweigen verlangt werden kann. Doch selbst ein Genickschuss (so das entsprechende Schlüsselwort) löst nicht alle Probleme.
„Das ist zu gut, das kann nicht halten“, orakelt Amanda irgendwann. Vielmehr gilt: Was sich liebt, das hasst sich eben, zumindest in diesem Fall. Als schließlich Sibyl und Victor in einer
besonders brutalen Nacht auftauchen und sich bereit erklären, trotz des Verrats die drohenden Scheidungen zumindest vorübergehend aufzuschieben, scheint der Anstand über die Begierde zu siegen.
Man will ja schließlich den guten Ruf wahren. Was allerdings leichter gesagt als getan ist.
Die große Kunst der Komödie ist es, kleine Dinge auf den Punkt zu bringen. Sie braucht keine ausladende Dramatik, keine Fallhöhe und keine Katastrophe. Was sie braucht, ist vielmehr Timing. Und
das hat Frank Oppermann mit dem fantastischen Schauspiel-Quartett wahrlich meisterhaft umgesetzt. Vor allem in der ersten Hälfte, die bei der Premiere dank des guten Wetters draußen unter der
Zeder stattfinden kann (erst danach soll es in den Theatersaal gehen), erhalten die pointierten Dialoge Zeit zum Atmen, wirken spritzig und nicht gehetzt, sind rasant wenn nötig und
zurückgenommen wenn möglich. Doch auch als das Tempo nach der Pause drastisch angezogen wird, sitzt jeder schlagfertige Kommentar und jede bissige Volte. So entsteht Raum für zahlreiche
nonverbale Spitzen, die gepaart mit der sichtlichen Spielfreude des wirklich exzellenten Ensembles einen Sturm der Begeisterung im Publikum auslösen. Auch die geschickt ausgestattete Bühne und
die fantastischen Kostüme (Marie-Theres Jestädt) müssen an dieser Stelle erwähnt werden – bei dieser Produktion stimmt wirklich alles. Schöner kann man in Bonn momentan einfach nicht
lachen.
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