Sebastian Studnitzky: Klänge einer verwundeten Stadt

Putin lässt nicht locker: Auch nach drei Jahren bombardiert Russland weiterhin die Ukraine, allen Vermittlungsversuchen und Warnungen des Westens zum Trotz. Auch die Großstadt Odessa wird immer wieder das Ziel von Raketen- und Drohnenangriffen. Um daran zu erinnern, tourt derzeit das Kammerensemble des Odesa Symphonic Orchestras (in ukrainischer Schreibweise tatsächlich nur mit einem S) zusammen mit dem Jazz-Musiker Sebastian Studnitzky durch die Bundesrepublik und präsentiert mit „Memento Odesa“ ein ebenso aufregendes wie berührendes Werk, das dem Krieg und dem Leid eine mitunter melancholische, in der Regel aber belebende Leichtigkeit und Schönheit entgegensetzt – so wie jetzt im Bonner Pantheon, wo das Projekt erneut für Begeisterung sorgte.

Dabei war die Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Trompeter und Pianisten auf der einen und dem ukrainischen Klangkörper auf der anderen Seite ursprünglich ganz anders geplant. Schon 2019 plante Studnitzky auf Anregung der Sängerin und Veranstalterin Anastasiia Pokaz, einen Ableger des von ihm gegründeten und geleiteten Festival Xjazz! in der Ukraine zu etablieren. Doch dann kam die Pandemie und machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. „Durch Zufall haben Anastasiia und ich und einige Jahre später auf einer Messe in Barcelona wiedergetroffen“, erzählt Studnitzky im Pantheon. „Sie war gerade vor den russischen Angriffen aus der Ukraine geflohen, und wir wollten im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen. So kam die Kooperation mit dem Odesa Symphonic Orchestra zustande. „Wir haben im Juli 2023 zunächst drei Stücke in der Hafenstadt aufgenommen“, so Studnitzky. „Später habe ich die Ukrainer für eine Tour nach Deutschland geholt, um die Öffentlichkeit daran zu erinnern, dass der Krieg noch lange nicht dabei ist.“ In der Berliner Gedächtniskirche sind weitere Aufnahmen entstanden, die nun zusammen das Album „Momento Odesa“ bilden. Inzwischen sind Studnitzky und das Kammerorchester der Philharmonie Odessa auf ihrer zweiten Tour – eine, die alle Beteiligten vor mehr als nur ein paar Herausforderungen stellt. Schon der Transport ist schwieriger als gewohnt, da derzeit kein privater Luftverkehr in der Ukraine möglich ist. „Die Musikerinnen und Musiker aus Odessa sind also mit dem Bus gekommen, mit mehreren Übernachtungen und verschiedenen, teils langwierigen Grenzkontrollen“, so Studnitzky im Pantheon. Dazu kommen die gewohnten deutschen Staus – in Bonn ist das Orchester tatsächlich erst zwei Stunden vor dem Auftritt angekommen, so dass für Proben keine Zeit mehr blieb. Was man zum Glück nicht merkt.

Werbeanzeige


QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Musikalisch bewegt sich das Projekt zwischen entspannt-harmonischem Jazz und eingängiger Filmmusik, mit vielen Stimmungswechseln und romantischem Streicherklang. Neben Studnitzky an Flügelhorn und Klavier sind noch Drummer Tim Sarhan und Bassist Paul Kleber mit von der Partie und sorgen für einen soliden, zuverlässigen Groove, der das Orchester unter der Leitung von Volodymyr Dikiy antreibt. Die Dunkelheit, die sich mitunter Bahn bricht, kann und darf nicht gewinnen, sondern wird stattdessen von opulenten Melodien, der Leichtigkeit der Streicher und den gehauchten Trompetentönen sowie den perlenden Klavierpassagen Studnitzkys in Zaum gehalten. Die Musik soll auch weniger ein Kommentar zu der Zerstörung von Odessa sein als vielmehr eine Erinnerung an ihre einstige Schönheit, die mit etwas Glück irgendwann wieder hergestellt werden kann. Irgendwann, wenn der Krieg vorüber ist. Es ist die Hoffnung auf ein Licht am Ende des Tunnels, die aus den Stücken herausstrahlt, aber auch ein Aufruf, ein solches Ende möglich zu machen und eben nicht zu vergessen. Unterstützen kann man das Projekt unter anderem durch den Kauf von CDs und von Vinyl – die Einnahmen gehen an verschiedene Hilfsprojekte in der Ukraine.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0