Jazzfest Bonn: Liebe, Respekt und Tradition

Von Anbeginn an war und ist das Jazzfest Bonn ein Festival, das auf Kontraste und Begegnungen setzt, auf hochkarätige Künstlerinnen und Künstler ebenso wie auf junge Talente zwischen Tradition und Avantgarde. Daran hat sich auch im 16. Jahr nichts geändert. Schon der Auftakt offenbarte die riesige Bandbreite, auf die Impresario Peter Materna im diesjährigen Programm zurückgreift: In der  Bonner Oper trifft das fast 300 Jahre alte Norwegian Wind Ensemble (Det Norske Blåseensemble; DNBE) mit modernem Jazz des Saxofon-Stars Marius Neset auf den von Blues, Funk und Hip Hop geprägten Sound der Sängerin China Moses. Ein bemerkenswertes Doppelkonzert, das ebenso anregend wie ergreifend ist, komplex und vielfach wunderschön. Und so soll es auch weitergehen.

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QUATSCH KEINE OPER präsentiert



Gleich zu Beginn legt das DNBE die Messlatte für die in den nächsten Tagen und Wochen folgenden 33 Konzerte hoch an. Das Ensemble unter der Leitung von Pianist Erlend Skomsvoll ist aus einer altehrwürdigen Militärkapelle entstanden und bedient sich seit der Umwandlung in ein ziviles Orchester sowohl in der Renaissance und im Barock als auch im zeitgenössischen Jazz. Insofern passt die Zusammenarbeit mit Marius Neset hervorragend, zumal die eigenwillige Musik des Norwegers den Klangkörper auf ganz eigene Weise fordert. Klare Melodielinien sind eher die Ausnahme, Dissonanzen und freie Rhythmik normal. Allerdings hat Skomsvoll die Kompositionen Nesets nicht einfach nur arrangiert, sondern sie interpretiert und sie somit zu etwas Neuem gemacht. So hat er zum Beispiel in „A Day in the Sparrow’s Life“ verschiedene Motive gesehen und diese ganz im Sinne Seregei Prokofjews verschiedenen Instrumenten zugewiesen, was unter anderem zu brillanten Duetten zwischen Querflötistin Rose Elin Austad Nes und Marius Neset führt – und zwar auf Augenhöhe. Fantastisch. Allerdings sind derart klare Zuordnungen keineswegs die Regel. Vielmehr lässt Skomsvoll die verschiedenen Instrumentengruppen auch gerne mal kollidieren und im Sinne der Neuen Musik miteinander konkurrieren. Muss man mögen, auch wenn die technischen Qualitäten des DNBE über alle Zweifel erhaben sind. Das Publikum bedankt sich auf jeden Fall mit stehenden Ovationen. Und das ist erst der Anfang.

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Der Auftritt von China Moses ist im Gegensatz zu den avantgardistischen Strukturen in Nesets Werken geradezu entspannend: Die energiegeladene Tochter von Dee Dee Bridgewater denkt und schreibt stets mit einem lyrischen Konzept im Hinterkopf, und auch wenn sie ihre Band mitunter von der Leine lässt und sie zu expressiven Soli auffordert, bleiben die Songstrukturen doch erhalten. Gut so, stärkt dies doch die Botschaften von China Moses, die mit ihrer Musik versucht, Liebe und Respekt zu stärken und so ganz nebenbei zu einer großen Party aufzurufen. Dabei greift sie auch auf ihr bisher unveröffentlichtes Album „It’s Complicated“ zurück, das nicht so klingt, wie es heißt. Stattdessen grooven die verschiedenen Songs dank des prägnanten Spiels von Drummer Ebow „Lox“ Mensah, Gitarrist Jerome Cornelis und Bassist Emmanuell Sunee sowie dank des spontanen Einsatzes von Pianist Ilja Ruf, der auf Empfehlung von Nils Landgren kurzfristig die Tasten übernahm. So kann Moses aufdrehen, kann Vollgas geben wie etwa bei „Disconnected“ oder auch mal verletzlich wirken wie in dem eindringlichen „Silence“, das unter die Haut geht.

Zwei Höhepunkte, zwei Konzerte: Besser kann ein Festival nicht anfangen. Und es kommt noch so einiges, auf das man sich freuen kann, darunter ein Konzert der Punk-Jazzer von Botticelli Baby (9.5., Pantheon), der Rückkehr der Yellowjackets (15.5., Post Tower) und Andreas Schaerers A Novel of Anomaly (23.5., Pantheon) mit ihren jeweiligen neuen Alben sowie ein Besuch von Saxofonist Stefano di Battista, der sich der goldenen Ära des italienischen Schlagers widmet. Aktuelle Platten haben auch Olivia Trummer (18.5., Collegium Leoninum) und die japanische Pianistin Hiromi (24.5., Telekom Forum) im Gepäck. Und auch die anderen Konzerte laden zum Entdecken ein. Viele Termine sind allerdings bereits ausverkauft.

Termine

Tickets gibt es noch für:

10.5., Pantheon: VOLO – Sofia Will Large Ensemble + Stefano di Battista Quintet
11.5., Pantheon: Rainer Böhm Quintet + Ida Sand Trio
16.5., Kreuzkirche: Arbenz X Krijger/Osby/Churchill + Medna Roso
21.5., LVR Landesmuseum: Marie Kruttli Trio + Norma Winstone & Kit Downes
23.5., Pantheon: J. van‘t Hof Trio feat. Ch. Lauer + Andreas Schaerer: A Novel Of Anomaly
24.5., Telekom Forum: Sarah Chaksad Large Ensemble + Hiromi’s Sonicwonder
29.6., Oper: Becca Stevens + Michael Wollny Trio
27.9., 20.30 Uhr, Bundeskunsthalle: Rymden

Alle Konzerte beginnen soweit nicht anders angekündigt um 19 Uhr. Karten erhalten Sie an allen bekannten Vorverkaufsstellen. Weitere Informationen unter www.jazzfest-bonn.de.

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