
Ungehorsam: Das ist ein Wort, das Konstantin Wecker sehr schätzt. Nicht, weil er ein überzeugter Anarchist und ein leidenschaftlicher, liebevoller Rebell ist (beides im besten, positiven Sinne), sondern weil ihn der blinde Gehorsam all jener ärgert, die irgendwelchen Demagogen hinterherlaufen und dabei sowohl ihren Verstand als auch ihre Menschlichkeit ignorieren. „Wer mit dem Leben tanzen will, muss ungehorsam sein“, singt er in der Bonner Oper mit einem Funkeln in den Augen, das ihn auch mit 77 Jahren noch wach hält. Ja, er ist noch nicht fertig mit der Welt, hat noch was zu sagen, selbst wenn es mitunter nur ein vernehmliches „Nein“ ist. Dafür reicht die Kraft noch, auch wenn er ansonsten ein bisschen schwächelt. Wecker ist immerhin bereits 77, laboriert zudem an den Folgen einer Rückenoperation, die ihn unter anderem daran hindert, an seinem geliebten Flügel Platz zu nehmen. Aber Ruhestand? Nicht mit ihm, nicht mit Konstantin Wecker. „Auch Schweigen ist Betrug“, so heißt es immerhin in „Genug ist nicht genug“, einem seiner bekanntesten Songs – und so erhebt Wecker allen Einschränkungen zum Trotz erneut seine Stimme und singt Klartext. So gut es eben geht.
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Allerdings ist Wecker in seinem ganzen Auftreten ruhiger geworden, melancholischer und nostalgischer. Natürlich erregen ihn die Missstände in Deutschland und der Welt, doch die Wucht des Wütenden ist einem Sinnieren gewichen, statt Anklagen singt er nun eher Klagelieder. Dabei blickt er zurück auf sein Leben, auf die guten und auch auf die schlechten Tage, auf den Erfolg und auf den Absturz, auf die Jahre, in denen er etwas bewegt hat und auf jene, in denen er sich dem Kokain und dem Alkohol ergeben hat. Damit ist Wecker schon immer offen umgegangen, gesteht seine Schwächen ein und hofft, dass er trotzdem etwas erreicht hat im Leben. Ja, hat er. Kein anderer deutschsprachiger Liedermacher hat in nahezu sechs Jahrzehnten so viele Akzente für Frieden und Freiheit gesetzt wie er, der unermüdliche Kämpfer gegen Rassismus und Faschismus (und gegen das Patriarchat, wie er mehrfach betont). Und trotzdem ist er eines Nachts volltrunken und unangeschnallt mit seinem Auto gegen einen Baum gefahren, nur zu sehen, ob die Götter ihn noch lieben. Einige Tage später schrieb er, ebenfalls zugedröhnt, einige Elegien, die er jetzt erstmals auf der Bühne vorträgt und die zeigen, was für ein begnadeter Poet Wecker war und ist. Da stört es auch nicht, dass an anderer Stelle sein Gesang mitunter bricht und nicht mehr ganz so voluminös ist wie noch vor zehn Jahren: Seine Botschaft ist auch weiterhin klar vernehmlich.
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Doch nicht nur seine Geschichte lässt er Revue passieren, sondern auch die seiner lyrischen Vorbilder. Auch das sind in gewisser Weise Elegien. Er erinnert an Erich Mühsam, an Mascha Kaléko und an Hannah Arendt, an den italienischen Filmemacher Pier Paolo Pasolini, der Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl und des Quantenphysikers Hans-Peter Dürr. Und er grüßt Hannes Wader, seinen alten Freund und Kollegen, indem er „Es ist an der Zeit“ anstimmt, seiner Meinung nach das beste deutsche Friedenslied. Zwischendurch dann die eigenen Titel. Mehr als 600 Lieder hat er geschrieben, und für diesen Abend, der den Titel „Lieder seines Lebens“ trägt, hat er einige Raritäten ausgegraben. Auf die großen Gassenhauer verzichtet er weitgehend, nur „Sage Nein“ darf nicht fehlen; stattdessen geht er weit zurück, bis zur „Weißen Rose“ von 1983. Am Klavier begleitet ihn sein langjähriger Weggefährte Jo Barnikel, der die Stücke mit großem Feingefühl spielt, sowie die Cellistin Fanny Kammerlander. Gemeinsam schweifen sie ab und zurück, nur um doch immer wieder bei jenen Themen anzukommen, die Konstantin Wecker seit jeher prägen: Die Liebe, der Frieden – und der Ungehorsam. Damit, so ist er überzeugt, lässt sich alles erreichen. Man muss nur daran glauben. Und vielleicht auch ein bisschen träumen.
Termin
8. November, Rhein-Mosel-Halle, Koblenz
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