„Am Königsweg / Endsieg“: Überladenes Gezwitscher

Er ist wieder da! Der König in rot, der Erlöser, der das Land einigen will. Oder peinigen? Reinigen? Wer weiß das schon. Elfriede Jelinek denkt alle drei Varianten auf jeden Fall mit: In ihrer druckfrischen Ergänzung zu dem 2016 geschriebenen Theaterstück „Am Königsweg“, das im Schatten der ersten Präsidentschaft von Donald Trump entstand und mit „Endsieg“ betitelt wurde, kommentiert sie bissig – und auch offenkundig enttäuscht – dessen Wiederwahl und sieht schon die Welt in Flammen stehen. Kein Wunder also, dass Regisseurin Katrin Plötner, die erstmals beide Werke zusammenbringt, für ihre Inszenierung am Schauspiel Bonn genau dieses Bild für die ansonsten weitgehend nackte Bühne des Schauspielhauses Bad Godesberg gewählt hat. Sonderlich überraschend ist das nicht. Was ohnehin für weite Teile des Jelinkschen Textkonvoluts gilt, das sich zwei Stunden lang über den Zuschauern ergießt – und leider wenig Neues bietet.

Es ist eine traurige Welt, die Jelinek beschreibt, und leider auch eine sehr realistische, voller blinder Seher und stummer Propheten, voller Narren und voller Könige. Sieben von ihnen bringt Plötner ins Rampenlicht, gekrönte Häupter und plebejische Leiber, gleichzeitig willige Täter und unwissende Opfer. Am Anfang zündeln sie nur im Schein von Streichhölzern, warnen vor den Fehlern der Vergangenheit; „uns kann das nicht passieren“, sagen sie dann, denn sie streben ja nur ganz demokratisch nach der Staatsgewalt. Dass manche später dann Gewalt ausüben, ist keine Überraschung. Diese Mehrdeutigkeiten liebt Elfriede Jelinek, und so ist die Vereinigung von „Am Königsweg“ und „Endsieg“ denn auch ein Text, der überfrachtet ist mit Wortspielen und Umdeutungen, mit Metaphern, Bildern, Anspielungen und anderen literarischen Stilmitteln. Da wird der „Nachtmahr Nachbar“ beschworen, Wahlgeschenke verteilt, die man nicht wählen kann, der Gegensatz von Zusammenstoß und Zusammenhalt betont und der König zum Strategen erklärt: „Die einen schiebt er vor, die anderen ab.“

Die inflationären Verzierungen, für die Elfriede Jelinek berühmt ist, klingen zunächst beeindruckend, schaffen jedoch im Theater ein Problem: Angesichts des Trommelfeuers an rhetorischen Figuren verpufft die ihnen eigentlich zugedachte Wirkung und damit ihre Daseinsberechtigung. Was bleibt, sind Schall und Rauch. Das kann jedoch weder dem spielerisch starken Ensemble (Sophie Basse, Ursula Grossenbacher, Lydia Stäubli, Christian Czeremnych, Wilhelm Eilers, Christoph Gummert und Timo Kählert) noch an Regisseurin Katrin Plötner zur Last gelegt werden, die bewusst darauf verzichtet, Frank Richter nachzueifern und die Bühne ebenso zu überladen wie Jelinek ihren Text. Vielmehr ist ihre theatrale Bildsprache vergleichsweise zurückhaltend, so dass zumindest einige groteske Szenen in Erinnerung bleiben können, angefangen bei den leidvollen Gesten der Aliens, die sich zweimal ins Rampenlicht wagen: Sie, die Fremden, die Ausländer, die Flüchtlinge, gegen die Trump – und mit ihm all die anderen Rechtspopulisten überall auf der Welt – so gerne wettern. Das penetrante Nachplappern eines dreiköpfigen Kinderchores in einer Holzkiste („Zwitscher, Twitter, Tirili“) wäre dagegen zumindest in diesem Ausmaß nicht nötig gewesen. Derartige Albernheiten waren vielleicht noch 2016 angemessen, als die Welt Trump für einen Polit-Clown hielt, der dem Volk nach dem Maul redet und das wiederum ihm. Heutzutage wissen wir es aber besser.

Die theatralische Kraft der Inszenierung kann ohnehin nicht darüber hinweghelfen, dass Elfriede Jelinek viel will und trotz einiger starker, unterhaltsamer und eindringlicher Momente letztlich wenig liefert. Ihre Beschreibung der gegenwärtigen Zustände sind vielfach obsolet, die Zustände schon längst viel absurder und erschreckender, als sie in ihren Stücken ausmalt. Die durch die sozialen Medien angefachte Schnelllebigkeit bringt selbst politische Kabarettisten an ihre Grenzen – im Theater potenziert sich dies nur. „Dann geht man raus und ist auch nicht klüger als zuvor. Oder irgendwie erlöst. Nicht einmal erbost“, schrieb Christine Drössel schon 2017 nach der Premiere von „Am Königsweg“ in der Süddeutschen Zeitung. Ergänzt um „Endsieg“ wird das nicht besser. Der Erkenntnisgewinn geht gegen Null, die Wirkung des Stückes ebenso. Immerhin: Die Ohnmacht der Kulturschaffenden, die Elfriede Jelinek mit ihren Stücken ebenfalls thematisieren kann, wird auf diese Weise sehr deutlich.

Termine
2.2., 18 Uhr; 8.2., 15.2., 20.2., 1.3., 12.3., 28.3., jeweils 19.30 Uhr im Schauspielhaus Bad Godesberg. Tickets erhalten Sie an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie unter www.theater-bonn.de.

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