Sebastian Koch & Daniel Hope: Suche nach dem Paradies

Ach ja, das Paradies. Das mythische Land, wo Milch und Honig fließen, wo man frei von Sorgen und Leiden leben kann so wie einst die ersten Menschen im Ur-Zeitalter der Unschuld. Die Rückkehr dorthin ist ein elementarer Bestandteil zahlreicher Religionen und Kulte und literarischer Topos par excellence. Jetzt haben sich Schauspieler Sebastian Koch und Stargeiger Daniel Hope diesem Thema angenommen und eine ganz besondere Lesung gestaltet, die jetzt auch im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ in Bonn zu erleben war. Zwischen gefürchteter Dystopie und ersehnter Utopie, zwischen dem verlorenen und dem längst wiedergefundenen Garten Eden skizzieren die beiden Künstler mit Texten von Ovid bis Elfriede Jelinek und Werken von Bach bis Schulhoff einen reizvollen Blick der Sehnsucht, der keiner weiteren Erläuterung bedarf.

Natürlich ist die Magie des Augenblicks ohne Sebastian Koch und Daniel Hope nicht denkbar. Vor allem ersterer spielt auf der Klaviatur der Rhetorik wie ein Großmeister und erweist sich als sensibler Sprecher, der jedes Wort voll auskostet und es mit genau dem richtigen Schwung zu den anderen schickt, die im Raum gerade noch nachhallen. Herrlich, wie er die Schöpfungsmythen aus des hinduistischen Vedas und des Koran miteinander verknüpft und dabei ein Gedicht von Dschalāl ad-Dīn Muhammad ar-Rūmī so geschickt als Verbindungsstück nutzt, das hinterher kaum jemand die Grenzen der Texte benennen könnte – das gelingt nur bei dem Auszug aus dem Buch Genesis, dessen Sprache im Vergleich zu den vorherigen Auszügen beinahe barsch wirkt. Dazwischen spielt Hope ganz reduziert Debussy und Bach, mitunter nur gezupft, mit leichten Dissonanzen und gerade dadurch überaus fragil klingend.

Weiter geht die Suche nach dem Paradies, dem verlorenen, wie der Brite John Milton (und Jahrhunderte später Annette von Droste-Hülshoff) es beschreibt. Diese Abkapselung des Menschen, ob selbst gewählt oder auferlegt, kristallisiert sich dabei als ein wichtiger Akt der Emanzipation von Gott heraus, kulminierend im rebellischen Prometheus-Mythos und Nietzsches Ausruf „Gott ist tot“. Das Paradies, so scheint es, liegt damit jetzt in Menschenhänden. Was nicht immer eine gute Idee ist, das zeigt Stefan Zweigs „Heroischer Augenblick“ recht deutlich. Musikalisch setzt Hope dem einige eigenwillige Stücke entgegen, zum Teil aus dem Barock und zum Teil aus der Moderne stammend. Der Subtext ist dabei nicht immer offensichtlich: Mit Hans Eislers „An den kleinen Radioapparat“ verweist Hope auf die Exilanten des Holocausts, mit Ravels „Kaddisch“ auf eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Dagegen erklingt dann irgendwann „Amazing Grace“ mit irischer Färbung. Hoffnung gibt es eben immer.

Derart aufgelistet erscheint der Abend jetzt möglicherweise prosaisch. Ist er nicht, noch nicht einmal ansatzweise. Vielmehr verfügt er über eine ganz besondere Intensität, in deren Mittelpunkt die besondere Chemie zwischen Sebastian Koch und Daniel Hope steht, die Worte und Töne, Lyrik und Musik zusammenfließen lassen und so miteinander in einen Dialog eintreten, in dem sie sich gegenseitig zu ergänzen verstehen. Es ist ein Gespräch über die Schöpfung, über das Sehnen nach dem Guten – und über das Menschsein. Das Paradies, so die unterschwellige Botschaft, ist längst da. Wir sollten nur aufhören, es zu zerstören. Und manchmal, etwa in der Gegenwart großer Kunst, blitzt es in voller Pracht durch, so wie es sein könnte, wenn man nur mal zuhört, so wie das Publikum in der ausverkauften Oper. Dieses ist denn auch restlos begeistert und feiert Hope und Koch mit tosendem Applaus.

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