Gong: Im Bann der flackernden Mandalas

Die Scheinwerfer flackern im Sekundentakt. Eine Kakophonie aus Licht hämmert auf den Sehnerv ein, parallel zu dem akustischen Gewitter, das die britische Formation Gong in der Harmonie entfacht. Ein hypnotisches Trommelfeuer rollt durch den Saal, die Gitarren erzeugen wabernde Klang-Sphären, ein Saxofon erkundet ähnlich wie im Modern Jazz die Grenzen der Tonalität – nein, einfach ist die Musik nicht, die an diesem Abend durch den Club schallt. Ebenso wenig will sie konkrete Bilder evozieren, die müssen die Zuhörerinnen und Zuhörer schon selber aus dem abstrakten Konvolut destillieren. Wenn sie denn überhaupt wollen. Die meisten Fans von Gong lassen sich allerdings lieber fallen, lassen sich treiben und mit Impulsen bombardieren, bis alles andere bedeutungslos geworden ist und die audiovisuellen Stimuli das Publikum in einen kollektive Trance getrieben hat. Was nicht lange dauert. Und nur der Anfang einer ganz besonderen Reise ist.

Innerhalb der Psychedelic-Rock-Szene ist der Ruf von Gong legendär. Seit 56 Jahren setzt die Band mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Fusion, Space- und Jazzrock Maßstäbe, und auch wenn inzwischen kein einziges Gründungsmitglied mehr übrig ist, fühlt sich das Quintett um den charismatischen Gitarristen und Sänger Kavus Torabi doch der Tradition und dem letzten Wunsch des 2015 verstorbenen Initiator Daevid Allen verpflichtet. Dazu gehört eben auch eine Lichtshow, die normalerweise großen Bühnen vorbehalten ist und die in einem Club von der Größe der Harmonie im wahrsten Sinne des Wortes überwältigend sein kann. Für Epileptiker ist dieses Konzert daher nicht zu empfehlen, zumal die Musik von Torabi sowie dem Co-Gitarristen Fabio Golfetti, dem Bassisten Dave Sturt, dem Saxofonisten Ian Est und dem Drummer Cheb Nettles ebenso überwältigend sein kann wie die flackernden Strahler. Im Publikum scheint aber keiner damit Probleme zu haben: Jeder im Saal lässt sich bereitwillig auf das Spektakel ein, das Torabi in einer Mischung aus futuristischem Propheten und archaischem Schamanen führt. Sein Gesang dient dabei meist als zusätzliche Klangfarbe, die wie ein Delfin in das Meer der flächigen Gitarren-Akkorde eintaucht, um irgendwann wieder an die Oberfläche zu kommen; gleiches gilt für das energische Saxofonspiel Ests. Derweil trommelt sich Nettles einen Wolf und ist teilweise ebenso wild wie seine Metal-Kollegen, während Surt als Ruhepol agiert – gewissermaßen als Auge des Sturms – und den Rest der Band zusammenhält. Eine Meisterleistung aller Beteiligten, die das Publikum nur zu gerne würdigt. So kann Gong weitermachen. Doch zunächst einmal ist für das Quintett Schluss: Der Auftritt in der Harmonie war der Abschluss der aktuellen Tour.

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