Tim Fischer: Traumtänzer voller Hoffnung und Melancholie

Ach ja, das Glück. Flüchtig, zerbrechlich und von allen begehrt, vor allem angesichts der aktuellen Weltlage. Und doch scheint sich die Menschheit mit diesem Zustand schwer zu tun. Wer es nicht besitzt, der sucht es, und wer es in den Händen hält, weiß es oft nicht zu schätzen. Nicht so Tim Fischer: Der Chansonnier mit seiner melancholischen Ader und seiner Lust am Spiel weiß um den Wert des Glücks, nicht zuletzt weil er auch ein Leben ohne es kennt, eines, in dem er ganz unten war, allein und verlassen, von Alkohol und anderen Drogen gequält. 30 Jahre ist das schon her, doch die Erfahrungen von damals haben Tim Fischer nachhaltig geprägt, und so ist er geradezu prädestiniert, einen Abend über das Glück in all seinen Facetten zu gestalten. Das zumindest ist der Anspruch. Aber geht das Konzept bei Fischers Besuch um Bonner Pantheon auch auf?

Singen kann Tim Fischer alles, darstellen auch. Für ihn ist ein Lied stets mehr als nur eine feine Melodie mit Klavierbegleitung (diesmal sitzt Thomas Dörschel am Flügel) – es ist auch eine Rolle, eine Haltung, es ist Gestik und Mimik und Pathos und Satire. Besonders Diven liegen dem 51-Jährigen, so wie „Die Dame von der Elbchaussee“, bei deren Darstellung Fischer augenzwinkernd mit den dazugehörigen Klischees jongliert. Ebenso souverän meistert er das Werk von Georg Kreisler, dem Fischer bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden war; keiner vermag den bissigen schwarzen Humor des Österreichers besser auf die Bühne bringen. Und dennoch wirkt zumindest die erste Hälfte nicht ganz rund, vielleicht auch weil Fischer diesmal häufiger als sonst einen sehr schnarrenden Stil pflegt und die lauten Töne geradezu herauspresst, was ihm längst nicht so gut zu Gesicht steht wie die ruhigeren, poetischeren Nummern. Als er „Großer schwarzer Vogel“ anstimmt, einen seiner Klassiker, wird dies deutlich – niemand kann so schön den Tod herbeirufen wie Tim Fischer, niemand so kraftvoll und zart zugleich eine Hymne auf die Vergänglichkeit singen.

Während sich das Glück wie ein roter Faden durch den ersten Teil zieht, gerät der Ansatz im zweiten Teil ins Stocken. Fischer gesteht ihm sogar explizit eine Pause zu, bevor er „Das Lied von der Gleichgültigkeit“ anstimmt und danach die „Rinnsteinprinzessin“, die Pianist Rainer Bielfeldt ihm der Legende nach auf die nackte Haut komponierte und die sowohl das berühmteste als auch das berührendste Stück des Abends ist. Mit Glück hat das nicht mehr viel zu tun, zumindest inhaltlich, und das ändert sich auch für den Rest des Abends nicht mehr. Dafür macht die Musik jetzt glücklich. Herrlich, wie der Weihnachtsmann auf der Reeperbahn skizziert oder wie Hebbels „Heideknabe“ gefühlvoll vertont wird; und brillant die zeitgenössischen Chanson von Sebastian Krämer, Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn, die Mitleid mit Satan fordern, vom fetten Elvis singen lassen und Adolf Hitler als Markenfigur entdecken, so dass Fischer endlich nicht nur schnarren darf, sondern auch schnarren muss. Ansonsten ist seine Stimme deutlich wärmer, weicher, gefühlvoller, was Fischer weitaus besser steht und so für einen überzeugenden Abschluss sorgt, nach dem jeder im Publikum weiß, wie Glück klingt. So wie Tim Fischer.

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