Vicky Leandros: Abschied einer vielseitigen Legende

Das war’s! Das letzte Konzert, das letzte Lied, der letzte Ton von Vicky Leandros in der Domstadt ist verklungen. Zweimal hat die Sängerin auf ihrer Abschiedstournee die Philharmonie Köln besucht und mit ihren treuen Fans die Liebe und das Leben gefeiert, doch nach beinahe sechs Jahrzehnten wird sie die Bühne nun endgültig hinter sich lassen. Nicht, weil sie es muss, sondern weil sie es so will. „Ich möchte aufhören, bevor ich Sie mit meiner Stimme nicht mehr berühren kann“, erklärt sie sichtlich gerührt dem Publikum, das sie schon bei ihrem Erscheinen mit stehenden Ovationen bedacht hat. Dabei scheinen die Sorgen verfrüht: Singen kann Leandros immer noch hervorragend. Zugegeben, in den Höhen klingt sie mitunter etwas dünn, fast schon kindlich, und die akute Bronchitis, mit der sie Ende Oktober zu kämpfen hatte und wegen der sie ein paar Konzerte absagen musste, hat dabei sicherlich nicht geholfen, doch in den mittleren Lagen strahlt sie eine Wärme aus, die erkennen lässt, warum so viele ihre Musik in all den Jahrzehnten so geschätzt haben. Und die ging weit über die Welt des Schlagers hinaus.

Vor allem die erste Konzerthälfte zeigte die Vielseitigkeit von Vicky Leandros, die mit 13 Jahren ihre erste Single veröffentlicht hat. „Messer, Gabel, Schere, Licht“, ein typischer Teenie-Song von 1965, an dem unter anderem ihr Vater mitschrieb, hat ihr damals keine sonderlich guten Kritiken eingebracht – in einer wurde sie als „pummeliges Mädchen und Schlager-Eintagsfliege“ beschrieben. Entmutigen ließ sich die Sängerin dadurch nicht, und jetzt steht sie da, mit 72 Jahren, die man ihr nicht ansieht, gertenschlank in silberner Paillettenrobe, eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Künstlerinnen, und zeigt sich mondän. Sie erinnert sich an ihre Zeit in Paris, wo sie mit Michel Legrand und Jacques Brel den Chanson für sich entdeckte („Ne me quitte pas“), an ihre Erfolge in Japan einschließlich der dort aufgenommenen Lieder in der Landessprache („Machi-Kutabireta Nichiyobi“) und an die von ihr bis heute geliebten Soul-Aufnahmen in Nashville – die beiden Songs „More Than That“ und „If I Can’t Be Your Woman“ gehören ohne Zweifel zu den großen Highlights des Abends, auch weil sie eine Facette von Vicky Leandros zeigen, die vielen wahrscheinlich gar nicht bekannt ist. Sie selbst genießt diese Musik sichtlich, tanzt und macht Luftsprünge und geht bei „Blau wie das Meer“ ins Publikum, um mit ihren Fans Karaoke zu singen. Das habe sie in Tokio kennen und schätzen gelernt, sagt sie und bittet um Freiwillige, die mit ihr die einzelnen Strophen anstimmen. Was denn auch meisterhaft gelingt.

Nach der Pause, die mit einem griechischen Medley eingeläutet worden war, widmet sich Vicky Leandros dann ausschließlich dem Schlager. Ein bisschen schade ist das schon, wird die Musik doch ein wenig eintöniger und schlichter – „Rot ist die Liebe“ oder „Ja, ja der Peter der ist schlau“ sind einfach keine kompositorischen Meisterwerke. Andererseits bemüht sich Leandros, auch diesen Konzertteil mit Vielfalt zu füllen. Mit der Homosexuellen-Ballade „Valentin“ begeistert sie nicht zuletzt die queere Szene, mit „Tango d’Amour“ verneigt sie sich vor dem argentinischen Nationaltanz, und mit dem The-Box-Tops-Cover „The Letter“ (auf deutsch „Er hat mir geschrieben“) zeigt sie, dass sie auch rocken kann. Dabei hilft ihr ihre fantastische Band, die Leandros schon seit Ewigkeiten treu ergeben ist. Zum Abschluss erklingen schließlich unter anderem die großen Hits „Ich liebe das Leben“ sowie „Theo, wir fahr’n nach Lotz“, bevor Vicky Leandros mit Jubelstürmen und auch der ein oder anderen Träne angemessen verabschiedet wird. Noch ein Konzert in Berlin sowie zwei Open-Air-Konzerte im Sommer 2025, dann wird endgültig Schluss sein, zumindest offiziell. So bleiben mehr Zeit für Kinder und Enkel – und hoffentlich noch viele gute Jahre.

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